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Degen in die Stube läuft, über den Postillon herfällt und ihn töten und morden will, weil er allein gefahren ist.

Der Postillon tut seine Verantwortung, so gut er kann. Der Wirt kommt auch herbei und sie machen, daß sich der Bote endlich zufrieden gibt. Ich bin nebbich im Winkelchen gesessen, hab mich nicht bewegt, still wie ein Mäuschen, denn er war betrunken und verrückt, und ich bin in eitel Aengsten gesessen, daß ich den Jakob nicht gesehen hab.

Ein Weilchen danach hat sich der Bote fressen gesetzt. Da hab ich gesehen, daß ihm der Zorn etwas vergangen ist, bin ich zu ihm gegangen und hab gesagt: »Herr Petersen, wo habt ihr denn meinen Jakob gelassen?« – »Wo sollt ich ihn gelassen haben? Er hat nicht weiter fortkommen können, da ist er an einem Zaun, dicht an einem Wasser, liegen geblieben. Zur Stunde mag er wohl versoffen sein.«

Nun, das hat mich sehr erschreckt. Ich hab nicht gewußt, was ich tun soll, er ist doch ein Glaubensgenosse und ein Mensch gewesen und ich bin allein gewesen.

Da hab ich den Wirt gebeten, er sollt mir zwei Dorfleute schicken, die sollen sehen, daß sie ihn finden und herbringen. Also sind die zwei Dorfleute geritten und eine halbe Stunde vom Dorf haben sie meinen guten Jakob wie einen Toten gefunden, abgemartert vom Weg und von Trunkenkeit. Er hatte einen guten Mantel angehabt und noch etwas Geld bei sich gehabt – alles war weg gewesen. Also haben die Dorfleute ihn auf ein Pferd gesetzt und ihn in die Herberge gebracht. Obschon ich sehr böse auf ihn gewesen bin, hab ich doch Gott gedankt, als ich ihn wieder zu sehen bekommen hab. Es hat mich aber sechs Reichstaler gekostet.

Nun hab ich ihm zu essen gegeben, und meinen schönen Diener, der auf mich und meine Kinder hätte passen sollen, hab ich bedienen müssen. Nun, es ist Tag geworden, die Fuhrleute haben die Wagen gebracht, daß wir wieder haben fort sollen.

Also hab ich mich mit meinen Kindern, der Magd und dem Diener zu Wagen gesetzt und zu meinem Jakob gesagt,

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_096.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)