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ordentlicherweise an dich gekommen, steht zu deiner Verantwortung und wirst du Gott derentwegen seinerzeit Rechenschaft geben müssen. Was mir aber deswegen unterschiedlichemale vorgekommen ist, weiß ich am besten. Es hat mir auch nicht an Mitteln gemangelt, bei guter Zeit dein Vornehmen zu hindern und mit deiner Person also umzugehen, wie es vielen, die sich dasselbe zu tun unterstanden haben, vorher begegnet ist. Aber durch meine Gelindigkeit habe ich mir selber zu dieser Erniedrigung Ursach gegeben. Und da ich so selbst hab fördern helfen, was ich vor Augen sehe und nunmehr nicht zu ändern ist, so bitt ich dich zum fleißigsten, du sollst meine Person schonen und mir vergönnen, daß ich die übrige Zeit meines Lebens in dem von mir erbauten Palast in Ruh und Frieden zubringen mag.«

Nikephoros erklärt zwar, ihrer Bitte und Begehren Raum- und Statt zu geben, wofern sie ihm einen leiblichen Eid schwören würde, daß sie ihm alle kaiserlichen Schätze offenbaren und einhändigen werde und ihm nicht das geringste davon verheimlichen wollte. Als sie aber den Eid getan und ihm die kaiserlichen Schätze alle zugestellt hatte, ließ er sie in Anwesenheit von Kaiser Karls des Großen Abgesandten ins Elend verweisen und auf die Insel Lesbos schicken, wo sie dann auch alsbald im folgenden Jahr in großer Bekümmernis gestorben ist.

Also zu sehen ist, wie einer hohen Kaiserin solches geschehen ist und sie es mit Geduld angenommen hat, so ist zu lernen, daß ein jeder in seinem Leiden soll geduldig sein, und alles, was einem Gott – sein Name sei gelobt – zuschickt, geduldig annehmen, wie ich schon geschrieben habe. –

Nun will ich wieder anfangen von meiner Jungfer von Peinholz. Also haben wir, Gott sei Dank, einen guten Tag der Gesetzesfreude gehabt und uns gefreut, daß Gott uns aus unseren Nöten geholfen hat, und er wird uns und seinem ganzen Volke Israel auch weiter aus allen Nöten helfen. Amen.

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_089.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)