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und seht wohl zu, damit wir nicht, Gott behüte, in Gefahr sind.«

Ich hab von der Geschichte als nichts gewußt. Die alte Polakin kommt herunter und sagt: »Wo ist das kleine Maidle?« Ich sag: »Warum?« »Ei,« sagt sie, »ich bin eine Aerztin, ich will dem Maidle was zu brauchen geben, es soll bald besser werden.« Ich denk an nichts Böses, führ das Kind zu ihr, sie besieht das Kind und läuft von dem Kind weg und läuft wieder hinauf zu den Weibern und macht einen Lärm und sagt zu den Weibern: »Flieht alle hinweg, wer nur fliehen und laufen kann, denn ihr habt leider die rechte Pest im Hause. Das Maidle hat leider Gottes die rechte Pest, Gott behüte, in sich.

Nun kann man sich wohl denken, was das für eine Bestürzung gewesen ist und was für Klagen unter den Weibern und besonders bei solchen so gar ängstlichen.

Frauen und Männer, alle sind aus dem Bethaus gelaufen und leider während der besten Gebete herausgelaufen am heiligen Feiertag, und sofort haben sie die Magd mit dem Kind genommen und vor die Tür gestoßen. Keiner wollte sie ins Haus nehmen oder gehen lassen. Man kann wohl begreifen, wie uns zumute muß gewesen sein. Ich hab als geheult und geschrien und um Gottes willen gebeten und gesagt: »Meine Herren, seht Gott an, was ihr tut. Meinem Kind fehlt nichts. Ihr seht ja, daß mein Kind, Gott sei Dank, frisch und gesund ist. Das Kind hat nebbich einen fließenden Kopf gehabt. Bevor ich von Hamburg abreiste, hab ich es geschmiert, da hat sich der Fluß vom Kopf zu einem Geschwür gezogen. Wenn, Gott behüte, einer so was an sich hat, hat er zehnerlei Anzeichen an sich. Seht, mein Kind läuft doch auf der Gass herum und ißt eine Stute[1] aus der Hand.«

Aber das hat alles nichts helfen wollen. Sie haben gesagt, wenn es leider ans Licht kommen sollte, daß es


  1. Stute = Weißbrot, eine Art Backwerk in Gestalt eines geschobenen Viereckes. (Vergl. Heyse, Wörterbuch.)
Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_080.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)