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Schwiegervater – das Andenken des Gerechten sei gesegnet – ist so gar ein wackerer Mann gewesen. Was geschehen ist, ist nicht zu ändern, also hat es sein Verbleiben dabei gehabt. Bräutigam und Braut sind noch gar jung gewesen. So hat der Reb Sußmann Gans seinen Sohn zum Lernen nach Polen geschickt. Kurz darauf ist Reb Sußmann Gans – er ruhe in Frieden – gestorben, und er hat keine Freunde gehabt, die sich um seinen Nachlaß gekümmert haben. Also ist sein Reichtum zu Schall und Nicht geworden. Dem Reb Sußmann – er ruhe in Frieden – seine Witwe hat einen anderen Mann genommen, der hat Reb Feibisch geheißen. Nun nach einigen Jahren ist der Bräutigam aus Polen wieder gekommen. Anstatt daß er, wie seine Schwiegermutter und sein Schwiegervater gemeint hatten, viele Tausende gehabt hat, hat er kaum etliche Hundert gehabt. Nun hat mein Schwiegervater – das Andenken des Gerechten sei gesegnet – die Heirat wollen abgehen lassen, aber meine Schwiegermutter hat es nicht leiden wollen und hat die Waise nicht beschämen wollen. Also ist Hochzeit gemacht worden und sie haben einige Jahre in Minden gewohnt.

Danach hat dem Reb Feibisch seine Frau einen Sohn verheiratet, den sie mit Reb Feibisch gehabt hat. Also sind sie auf dem Spinnholz[1] gewesen und es sind mächtige Geräte auf dem Tische gestanden und großer Reichtum zu sehen gewesen. Reb Salman Gans, der Schwiegersohn meines Schwiegervaters, hat den großen Reichtum gesehen und vielleicht auch manche von den Geräten gekannt, die seinem Vater Reb Sußmann Gans gehört hatten. Und er hatte von dem Reichtum seines Vaters nur wenig bekommen. Also ist er in das Kontor gegangen und hat gesehen, daß er ein Kistchen mit handschriftlichen Schuldscheinen bekommen hat, denn er hat gemeint, daß er ein Recht dazu hat. Aber was soll ich mich dabei aufhalten. Zwanzig Bogen Papier wären mir nicht genug, wenn ich alles schreiben wollte, was hierin vorgegangen ist.


  1. Eine Art Polterabend, am Freitag Abend vor der Hochzeit.
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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_057.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)