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Lebtag zugekommen ist, und wie er sein kluges, frommes Weib und seine Kinder verloren hat. Und das allerschwerste ist, daß er seine übrigen Jahre unter unverständigen, wilden Tieren verbringen soll, und daß sie doch endlich mit der Zeit, wenn sie seiner müde sein werden, sein Fleisch essen und sein Gebein zerbrechen werden, und er werde auch nicht bei anderen guten Juden beerdigt werden, wie es einem frommen Juden gebührt.

»Also gibt es nichts Besseres, als daß ich mir ein Zulauf nehm von dem Berglein, auf dem ich steh, und laufe bis in das Meer und ertränke mich, so wie meine lieben zwei Kinder auch ertrunken sein werden.« Denn er wußte nicht, daß das Meer sie ausgeworfen hatte, und dachte, zu ihnen zu kommen und sich im Jenseits mit ihnen zu freuen.

Also bekennt er seine Sünden vor Gott mit heißen, bitteren Tränen, und als er seine Bekenntnisse zu Ende hat, fängt er an zum Meer zu laufen, um sich zu ertränken.

Da kam eine Stimme zu ihm, die ruft ihn bei seinem Namen und sagt zu ihm: »Du verzweifelter Mensch, warum willst du verzweifeln und deine Seele verderben? So geh man wieder auf das Berglein zurück, von dem du aufgestanden bist, und grab darauf, so wirst du einen Kasten mit Gold und Edelsteinen finden, einen sehr großen Reichtum. Zeuch den Kasten bis zum Ufer des Meeres, bleib eine Weile stehen, und es wird ein Schiff kommen mit Menschen deinesgleichen, die nach Antiochia fahren. Dann schrei auf sie, daß sie dich mitnehmen sollen und dich mit dem Kasten in ihr Schiff retten. Dann wirst du endlich ein König werden, es wird dir wohlergehen, du wirst das Ende deiner Leiden sehen und deine Freuden werden anfangen.«

Als der Schriftgelehrte solches gehört, ist er auf das Berglein zurückgegangen und hat zu graben angefangen, wie ihm die Stimme befohlen hatte. Da findet er den Kasten mit Gold und Edelsteinen und schleppt ihn an das Ufer des Meeres und erhebt seine Augen. Da sah er ein Schiff mit Leuten im Meer gehen. Da schreit er auf sie mit großer Stimme, sie sollten doch hierher fahren und ihn mitnehmen,

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_042.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)