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an einem Orte, wo sich dorten die wilden Leute aufhalten. Die Tochter des Königs der Wilden ersah ihn, denn sie weidete die Schafe und Rinder in der Wüstenei. Sie war ganz nackt, mit Haar verwachsen und umgürtet mit Feigenblättern, ihre Schande zu bedecken. Und sie ging zu ihm und beweist ihm Liebschaft, als sollt er sie zum Weibe nehmen, und aus großer Furcht erweist er ihr auch Liebschaft und gab ihr zu verstehen, daß er sie nehmen wollte. Das sahen die anderen Wilden und sie pfeiften, da kamen die Wilden, alte und junge, aus den Löchern zu springen, wo sie ihre Wohnung haben in dem Gebirge. Sie laufen alle auf ihn, sein Blut zu trinken und sein Fleisch zu essen, und ihr König war auch dabei. Der Schriftgelehrte erschrickt eine große Erschrecknis und es wäre bald kein Atem in ihm. Das sah des Königs Tochter und sie bedeutet ihm, daß er sich nicht fürchten sollt. Sie ging zu dem König, ihrem Vater, und bat ihn gar sehr, daß er den Menschen sollt leben lassen, denn sie wollte ihn zum Manne nehmen.

Also folgt er ihr und ließ ihn leben, und der Schriftgelehrte mußte sich in der Nacht zu ihr legen und er war nun ihr Mann und sie war sein Weib, wiewohl er oftmals in sich selber an sein hübsch fromm Weib gedacht, das so elendiglich von ihm gekommen war. Doch war das alles nicht zu ändern. Er nahm alles mit Geduld an und hatte immer noch die Hoffnung, daß Gott – sein Name sei gelobt – ihm zu seinem frommen Weibe und zu seinen lieben Kindern helfen werde. Als er nun eine Zeitlang mit ihr gehaust, wurde sie von ihm schwanger und gebar ein Knäblein, ein wildes.

Nun hütet er von Tag zu Tag das Vieh in der Wüstenei. Er war schon zwei Jahre bei ihnen. Er mußte mit ihnen das Fleisch von den wilden Mauleseln und Tieren essen. Er lag in den Löchern in dem Gebirge mit seinem wilden Weibe. Er und das Weib waren ganz mit Haaren bewachsen und er sieht einem wilden Manne gleich. Nun stand er einmal in der Wüste auf einem kleinen Berglein, nicht weit von dem Meere, und er bedenkt all das Leid, das ihm sein

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_041.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)