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Nun hab ich schon gesagt, wie mein Vater – das Andenken des Gerechten sei gesegnet – die Mutter genommen hat und auch etwas, wie es ihnen gegangen ist.

Sobald mein Vater – das Andenken des Gerechten sei gesegnet – mit der Mutter Hochzeit gehabt hat, hat er bald meine Großmutter Mate – sie ruhe in Frieden – zu sich genommen und oben an seinen Tisch gesetzt. Er hat sie ihr ganzes Leben bei sich gehalten und ihr alle Ehre der Welt angetan, wie wenn es seine eigene Mutter gewesen wäre. Die Betthemden, die meine Großmutter nebbich meiner Mutter gegeben hat, dieselbigen hat ihr meine Mutter alle wieder gegeben, und alles mit Wissen von meinem Vater – er ruhe in Frieden. – Kurz, sie ist so wohl gehalten worden, als wenn sie in ihrem eigenen Haus gewesen wäre. Der liebe Gott soll dieses Verdienst uns und unsere Kinder genießen lassen. Sie ist mehr als siebzehn Jahre bei ihm gewesen in allen Ehren.

Nachher war es, daß die Wilnaer aus Polen fortgelaufen sind und viele sind nach Hamburg gekommen. Sie haben eine ansteckende Krankheit an sich gehabt. Zur selben Zeit hat man kein Spital oder sonst Häuser gehabt, in die man hätte kranke Leute legen können. Also haben wir wohl zehn kranke Leute auf unserem Boden liegen gehabt, die mein Vater – das Andenken des Gerechten sei gesegnet – alle hat aushalten lassen. Einige von ihnen sind gesund geworden, einige sind gestorben.

Ich und meine Schwester Elkele[1] sind diesmal auch krank geworden und zehn Tage gelegen. Meine fromme Großmutter – sie ruhe in Frieden – ist bei all den Kranken gewesen, ist hin und her gegangen und hat gesehen, daß keiner Mangel gehabt hat. Wenn auch Vater und Mutter es nicht gerne leiden wollten, hat sie sich doch nicht wehren lassen wollen und ist alle Tage drei-, viermal auf den Boden gegangen zu den Kranken. Endlich ist sie auch krank geworden und zehn Tage gelegen. Danach ist sie mit gutem Namen und


  1. Elkele = Ulk (Ulrike) vergl. oben.
Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_034.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)