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Also hat der Schwede allerwegen herüberkommen können, weil es so hart gefroren ist gewesen.

Auf einmal am Sabbath kommt der Lärm: Der Schwed kommt! Es ist noch früh gewesen, wir sind noch im Bett gelegen, da sind nebbich alle aus den Betten gesprungen und sind nackt und bloß mit uns Kindern nach Hamburg gelaufen. Teilweise haben wir uns bei den Sefardim, teilweise bei den Bürgern behelfen müssen.

Dort sind wir kurze Zeit so gesessen, bis endlich mein Vater – sein Andenken sei gesegnet – es erreicht hat, und er ist der erste Jude gewesen, der sich wieder in Hamburg ansässig gemacht hat. Nachgerade hat man weiter erreicht, daß mehrere Familienväter nach Hamburg ziehen durften. Und so sind fast alle Juden nach Hamburg zu wohnen gezogen. Mit Ausnahme von denen, die vor der Vertreibung in Altona gewohnt haben, die sind in Altona wohnen geblieben.

In jener Zeit hat man gar wenig Steuer an die Regierung gegeben. Ein jeder hat für sich selbst mit denjenigen, die dafür eingesetzt waren, akkordiert. Aber wir haben in Hamburg kein Bethaus gehabt und auch gar kein Wohnrecht. Nur aus Gnade von dem Rat – Gott erhöhe seinen Ruhm – sind sie dort gewesen. Doch sind die Juden zusammengekommen in ihren Wohnungen zum Beten, so gut sie nebbich gekonnt haben. Wenn solches die Räte der Stadt vielleicht schon gewußt haben, haben sie doch gern durch die Finger gesehen. Aber als es Geistliche gewahr worden sind, haben sie es nicht leiden wollen und uns nebbich verjagt, und wie das schüchterne Schaf haben wir müssen nach Altona ins Bethaus gehen. Dieses hat eine Zeitlang gewährt, dann sind wir wieder in unsere heimlichen kleinen Bethäuser gekrochen.

Also ist es gewesen, daß wir zeitweilig Ruhe gehabt und zeitweilig wieder verjagt worden sind – bis zum heutigen Tag. Ich fürchte, daß solches so währen wird, solange wir in Hamburg sind und solange die Bürgerei in Hamburg regiert. Gott – er sei gelobt – in seiner Barmherzigkeit

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_024.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)