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Also sind dem König Alexander seine Abgesandten wieder zum König gekommen, haben ihm alles gesagt, und hat sich der König Alexander, umgeben von seinen vornehmsten Leuten, aufgemacht, und ist zu ihnen gezogen. Er ist bei ihnen etliche Tage geblieben, hat große Weisheit von ihnen gehört und gelernt, und ist gar friedlich mit ihnen gewesen und wollte ihnen große Geschenke geben. Aber sie haben nichts haben wollen und haben gesagt: »Wir brauchen kein Geld, kein Silber, kein Gold; die Natur gibt uns genug.« Also sagt der König Alexander: »So erbittet von mir, was ihr haben wollt. Ich will es euch geben.«

Da fangen sie miteinander an zu rufen: »Herr und König, gib uns das ewige Leben.« Sagt der König: »Wie kann ich euch das geben? Wenn ich das zu vergeben hätte, wollt ich es mir selbst geben.« So sagen die Weisen: »Nun, Herr und König, prüfe deine eigenen Gedanken, derweil du ja weißt, daß alles, was der König tut, alle Mühe und Anstrengung, die er hat, so viel Leute und Land zu vernichten, und das alles behältst du nur auf eine kleine Weile und nichts auf ewig. Wozu hat der König das alles gesollt?«

Darauf hat der König nichts zu antworten gewußt, doch hat er zu ihnen gesagt: »Ich hab die Welt also gefunden, so muß ich sie auch so lassen. Des Königs Herz kann nicht ohne Bewegung des Kriegswesens sein.«

Diese Geschichte schreibe ich nicht als eine wahre Begebenheit; es mag auch eine heidnische Fabel sein. Ich hab sie hierhergestellt, um mir die Zeit zu verkürzen und zu zeigen, daß es Leute in der Welt gibt, die den Reichtum nicht achten und sich allezeit auf ihren Erschaffer verlassen.

Nun, wir haben – Gott sei Dank – andere Moralbücher, von denen wir alles Gute lernen können. Ich schreib euch dieses auch nicht als Moralbuch, es geschieht nur, wie gesagt, des Abends, um die lange Nacht nicht mit melancholischen Gedanken zu verbringen. »Sie weinet bei Nacht.« Also dieses zur Hand genommen, soviel mir bewußt

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_018.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)