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Weh und Wind den Bösen, die um ihrer Kinder Reichtum wegen jene Welt verlieren, da sie doch nicht wissen, ob solches gestohlenes und geraubtes Geld bei ihren Kindern Bestand hat, und wenn es schon Bestand hat, so währt es doch nur eine Zeit und nicht ewig. Und warum soll denn der Mensch das Zeitliche für das Ewige verkaufen? Wenn ein großer Berg von Sand soll abgegraben werden und man nimmt jeden Tag nur ein wenig davon, ist doch die Hoffnung, daß man ihn endlich wegmachen kann. Aber, Gott behüte, die Ewigkeit zu verlieren, das ist das Jenseits, das ist zu betrachten und zu bejammern, wenn man nicht darauf achtet.

Wer wollte, daß wir so leben könnten, wie man es findet in der Beschreibung von Alexander von Mazedonien! Dort in dem Land haben Leute gewohnt, die man für große Weise gehalten hat. Sie haben von der ganzen Welt nichts gehalten; sie haben nichts anderes gegessen, als was die Natur hat wachsen lassen, desgleichen nichts anderes als Wasser getrunken. Kein Zank und kein Haß war zwischen ihnen und sie hatten keine Kleider an.

Alexander von Mazedonien, der, wie man weiß, die ganze Welt erobert hat, hatte gar viel von diesen Leuten, ihrem Leben und ihrer Weisheit gehört. Also hat er seine Abgesandten zu ihnen geschickt, sie sollten zu ihm kommen und von ihrem Herrn und König Gnade erbitten, werden sie das nicht tun, will er sie alle vertilgen. Haben sie ihm zur Antwort gegeben: »Wir kommen nirgends hin und gehen nirgends hin und gehen nicht aus unserem Land. Wir gelüsten nicht nach Silber und Gold, wir begnügen uns mit dem, was uns Gott gibt und die Natur. Sagt eurem König, wenn wir nicht zu ihm kommen und er dann zu uns kommen und uns töten will, das mag er wohl tun, dazu braucht er keine große Rüstung, denn wir werden ihm keinen Widerstand tun, denn wir fragen nicht nach unserem Leben. Denn wenn wir tot sind, leben wir erst. Will aber euer König in Frieden zu uns kommen und unsere Sitten und Weisheit anhören, soll es uns lieb sein.«

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_017.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)