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Nachrichten aus Wien. Allein nähere Verbindung hatten sie in Oestreich selbst nicht, wie ich aus guten Quellen vernahm. Nur gegen Böhmen zu sollen sie geneigtes Gehör gefunden haben, als sie ihre Missionen ausschickten. Doch wagten auch von jener Seite die geheimen Abgeordneten sich nicht tiefer in das Land. Bestimmtere Notizen über diese letztere Lage vermochte ich mir nicht zu verschaffen. Jetzt scheint auch diese Fakzion ihre Wirksamkeit wieder, wie vorher, bloss auf ihr Vaterland Bayern beschränkt zu haben. »Wo man nicht einreissen kann, muss man untergraben,« sagte mir einer ihrer Stimmgeber. Nach diesem Grundsatz, den die Illuminaten bisher zur Norm annahmen, wollen nun auch sie handeln.

»Um die Patrioten zu stürzen, liessen die Illuminaten durch ihr Organ, den Professor Salat, in die »Nationalzeitung der Deutschen« mehrere Briefe einrücken, welche das Unwesen derselben während der letzten Epoche des Kriegs in einem sehr schwarzen, aber nicht übertriebnen Kolorit darstellten. Zu gleicher Zeit wird auch von Seite des Churfürsten eine scharfe Untersuchung gegen jene angeordnet, welche als vorzügliche Teilnehmer bekannt waren. Aber ehe noch ein bedeutender Schritt gethan war, liess Montgelas selbst die Untersuchung wieder aufheben: auch nicht Einer ward gestraft! Jede der beiden Fakzionen rechnet itzt auf den Schutz des französischen Gesandten Reichardt, der nach München bestimmt, aber noch nicht dahin abgereist ist. Der bayrische Bevollmächtigte in Paris, Cello, ein tiefeingeweihter Illuminat, wie die meisten diplomatischen Agenten, intrikirte die Ernennung desselben, aber er drang nicht ohne Schwierigkeiten durch. Indessen liegt bereits auch zu Gunsten der Patrioten ein Empfehlungsschreiben an Reichardt von Moreau's Secretär Weiss, einem gebornen Ungar, zu München.

»Was den Entwürfen der Patrioten eine günstigere Periode verspricht, ist das fast allgemeine Missvergnügen über die Neuerungen der gegenwärtigen Regierung, die den Bayern an den empfindlichsten Seiten seines Nationalcharakters antasten. Als man das Kirchensilber für die Staatsbedürfnisse hinwegnahm, geschah dies mit Verletzung aller Delicatesse. Der churfürstliche Commissar Bermiller riss mehr als einmal den Kelch aus den Händen des Priesters, als dieser kaum die Messe vollendet hatte. Gleich darauf erschien das Toleranzedict, zu welchem die Nazion gar nicht vorbereitet war. Jetzt wird — ausser der

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Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 441. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_441.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)