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selbst wie im Auslande, diese Fakzion für das Organ der Illuminaten, mit deren System ihre Handlungen in auffallendem Einklang zu stehen schienen. In diesem Glauben ward man noch mehr bestärkt, als Utzschneider ganz unerwartet zu der Stelle eines geheimen Rats und geheimen Referendärs in Finanz- und landschaftlichen Gegenständen sich aufschwang. Allein schon in der ersten Epoche enthüllte dieser herrschsüchtige, imposante, aber kenntnissreiche Kopf den Plan: den Freiherrn v. Montgelas, der schon in der »Gallerie Pfalzbayrischer Staatsmänner« heftig angegriffen worden war, und die Illuminaten zu stürzen, ihre Stelle mit Gliedern der Patrioten-Verbrüderung zu besetzen, das Feudalsystem und die Zehnten aufzuheben, den Prälatenstand auszumerzen, den Adel zu schwächen und — was das distinktive Prinzip dieser Fakzion war — den Bauernstand nicht blos unter die Landstände aufzunehmen, sondern denselben ein überwiegendes Gewicht in der Staatsverwaltung zu geben, kurz, die monarchische Verfassung mit der demokratischen zu amalgamiren.

»Während Utzschneider auf diese Art in der Nähe des Fürsten wirkte und mehrere Verordnungen zu Tage förderte, die der Ausführung seines Planes den Weg ebnen sollten, warben seine Verbrüderten auf regelmässigen Missionen sich Anhang unter den Bürgern und Bauern. Vorzüglich suchten sie Advocaten, Ökonomen, Landbeamte, Schullehrer und die sogenannten Bauern Könige an sich zu ziehen. Um die Letzteren in's Feuer zu hetzen, liess Strobel die Bildnisse einiger derselben mahlen und in seinem Pantheon merkwürdiger Bayern aufstellen. Dieser Celebritäts-Kitzel, verbunden mit einigen andern Kunstgriffen, die auf die grossen Motive, Eigenliebe und Eigennutz, sehr schlau kalkulirt waren, hatte grosse Wirkung. Nicht nur von den Bürgern, sondern selbst in den elendesten Bauernhütten, wohin die Illuminaten nie Einfluss gehabt hatten und — nach dem mehr aristokratischen System des Ordens — nie Einfluss suchten, wurden die Tagesblätter der Patrioten verschlungen, und so ward auch dieser bisher noch unverdorbene Teil des Bayrischen Volkes ein Werkzeug des Zeitgeistes. Indessen hinderte die Publizität und die oft unglaubliche Etourderie, mit welcher diese Fakzion ihren Plan durchzusetzen suchte, glücklicherweise die Ausführung desselben, erleicherte aber auf der andern Seite den Illuminaten ihren Sieg und der Sturz Utzschneiders war der Grundstein ihrer fortdauernden Macht.

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Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 437. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_437.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)