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einzelnen Logen (in München bei Seinsheim, Bermiller, den Kaufleuten Dalarmi und Oberhauser), nehmen durch Stimmenmehrheit, jedoch ohne Zeremoniel, Novizen auf, stehen unter einander in einem regelmässigen Briefwechsel, verbreiten den Geist des Ordens auch ausser ihrem Zirkel, allein noch fehlt glücklicherweise der superiöre Kopf, der die vielen zerstreuten Fäden aufnehmen und in ein Ganzes vereinigen könnte. Daher die Spaltungen unter den Mitgliedern, die Untätigkeit so Mancher und die Möglichkeit, durch feste, gut calculirte Massregeln das ganze Gebäude des Ordens zu stürzen. Aus allen, welche dem Orden angehören, würden Graf Rumford und der geheime Rat v. Zwack die einzigen Männer für jene infame Rolle sein. In dieser Rücksicht verdient die Reise, welche der Erstere im Anfange dieses Monats nach München machte, alle Aufmerksamkeit. Gewiss ist es, dass er seit seiner Entfernung immer in regelmässigem Briefwechsel mit den feurigsten Illuminaten stand. Zwack, der zu gleicher Zeit aus Wetzlar nach München kam, soll zu einer sehr wichtigen Stelle prädestinirt sein. Nach Rumford ist dieser der planvollste Kopf.

»Die Wendung der französischen Revoluzion gab sichtbarlich den ursprünglichen Absichten des Ordens eine veränderte Richtung und eine neue Terminologie. Man spricht nicht geradezu mehr von »Tyrannen«, aber desto mehr von »demokratischen Fürsten, die in Kron und Scepter mit dem Volke sich teilen«, nicht mehr von »Staatsumwälzung und Freiheit und Gleichheit«, aber desto mehr von »unveräusserlichen Menschenrechten«, von den »unaufhaltsamen Fortschritten des menschlichen Geistes, von unbeschränkter Pressfreiheit«, dem »Sturze der Hierarchie und der privilegirten Kasten«. Der stille Plan der Illuminaten und selbst so mancher Uneingeweihten, die auf das Volk wirken, scheint ganz in diesen Aeusserungen zu liegen.

»Um sowohl den Churfürsten als auswärtige Regierungen in Sicherheit einzuwiegen, um der öffentlichen Aufmerksamkeit sich zu entziehen, wird auf Zentners und Branca's Veranstaltung der Illuminatismus planmässig als ein Gespenst dargestellt, welches gar nicht mehr in der Welt, sondern blos in der Einbildungskraft der Jesuiten und Obscuranten existire. Ein sonst vortrefflicher Kopf, der Professor und Pfarrer Salat in München, ist der Auserwählte, der mit grosser Gewandtheit und sichtbarem Erfolge in der »National-Zeitung der Deutschen«, »den Annalen der leidenden Menschheit«, dem »Genius der Zeit«,

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Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 435. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_435.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)