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eben deswegen wird er auch mit solchem unglaublichen Eifer das System der strikten Observanz erfasst haben. Kein anderes ist so sehr geeignet, die Hoffnung zu erwecken und immer wieder anzufeuern, doch endlich gewürdigt zu werden, dass der hohe, hehre, leuchtende Obere aus seiner Verborgenheit herabsteige, um den vertrauenden Sterblichen[1] zu beglücken. Die so bequeme Entschuldigung für das Nichterscheinen, der Suchende sei noch nicht würdig, noch nicht reif genug, um seinen Anblick zu ertragen, verfängt immer wieder und für seine Ungeduld, Neugierde oder schwankendes Vertrauen fühlt er sich schliesslich nur gerecht bestraft, wenn der hohe unbekannte Obere noch sein Angesicht verbirgt. In dieser Weise sind die edelsten Männer, die sonst aufgeklärtesten Köpfe genarrt worden und — werden noch genarrt.

Knigge war augenscheinlich bereit, in die Fussstapfen des Baron Hund zu treten und arbeitete darauf hinaus, die Illuminaten-Oberen, zu denen er selbst ja gehörte, als die bisher noch immer unbekannt gebliebenen Oberen der strikten Observanz hinzustellen. An dieser Absicht ist auf Kenntnis des Ritualbuches kein Zweifel mehr möglich. Nach den jetzigen Forschungen wurde wahrscheinlich um 1742 das System der strikten Observanz in Paris gestiftet, um dadurch die Anhänger der Stuarts und ihre Zwecke zusammenzuhalten und zu verbergen. C. G. von Marschall (nach Lenning soll das ohne Zweifel ein M. von Bieberstein auf Herrengrosserstädt in Thüringen gewesen sein) wurde darin eingeführt und durch ihn v. Hund als sein Nachfolger. Wie sehr man von der Existenz des unbekannten Grossmeisters überzeugt war, ergibt der Umstand, dass Herzog Ferdinand v. Braunschweig 1777 die Erklärung abgab, er wolle das grossmeisterliche Amt, zu dem er 1772 berufen worden, nur solange verwalten, bis der wirkliche Grossmeister bekannt gemacht sei und sich legitimiert habe.

Auf dem Konvent zu Wilhelmsbad, der dem Tempelherrnsystem ein Ende machte, hatte nun Knigge freies Feld, die alten Hoffnungen neu zu beleben und namentlich durch Bode in Weimar, der mit allen Fürsten, die Freimaurer waren, eng liiert


  1. Etwas ganz ähnliches, nur noch in schlimmerer mystischer Art, haben wir heute in den indisch-theosophischen Lehren, mit ihren Mahatmas und Adepten. Tausende warten sehnsüchtig und vergeblich auf das Erscheinen dieser Mahatmas (Obere) und sind immer wieder bereit, für das Nichterscheinen entschuldigende Gründe zu finden.
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Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_366.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)