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nach Rom selbst erschreckt gewesen sein und wünschte nicht noch mehr Öl ins Feuer zu giessen. Er verhielt sich deswegen solchen Anzapfungen gegenüber passiv, zum grössten Missmute seiner Angreifer.

Die Erscheinung nun, dass so viele Geistliche sich dem Orden anschlossen, hat einen sehr einleuchtenden Grund, wenn man sich in Erinnerung ruft, was Kluckhohn (s. Seite 10) über den Zustand abergläubischer Gebräuche sagt. — Denkende Köpfe, und wer würde wagen zu behaupten, dass gerade der geistliche Stand nicht solche jederzeit aufzuweisen hat, durften in jener Zeit sich gar nicht öffentlich über vorhandene Missbräuche in der Religion äussern, die Kirche verlangt unbedingten Gehorsam und Glauben an solche Sätze, die sie als Wahrheit ausgibt. Wissenschaft und Gedankenfreiheit mussten demzufolge zu allen Zeiten sich verbergen, wenn das Dogma mit Richtbeil, Galgen und Scheiterhaufen seine unbezwingliche Herrschaft behauptete, — aber nur verbergen, sie konnten nicht vertilgt werden. In den ältesten Zeiten hatte die Priesterschaft selbst in den geheimnisvollen Mysterien ihre tiefere Erkenntnis der Öffentlichkeit verborgen, in denen des Mittelalters und jener Periode, die hier geschildert ist, war sie jedoch wieder Sklave ihrer Unwissenheit geworden, die ein freies Denken verboten und so flohen jene Priester, die nun einmal ketzerische Gedanken nicht unterdrücken konnten, in den Schoss geheimer Gesellschaften, hoffend, dort eine nicht vertrocknete Geistesnahrung zu finden.

Hier in dem Kreise von Männern, die durch ein gleiches Ziel zusammengeführt wurden, konnte ein offenes Wort gesprochen und angehört werden, ohne schwere geistliche Pönitenz auf sich zu laden. Den Inhalt von Schriften konnten sie erfahren, die zu lesen strenge verboten, — kurz, viele Dinge konnten in der Loge von anderer, als der eigenen einseitigen Seite betrachtet werden. Das musste reizen und wirkte auch für jene Geistlichen anziehend, die recht gut wussten, dass sie dem Volke nicht immer das boten, was in ihrer eigenen Seele schlummerte, weil sie die Allgemeinheit für unfähig hielten, höhere Wahrheiten zu begreifen.

Der Illuminatenorden stand jedoch in dem Rufe, die Lehren des Urchristentums zu bewahren und sein Priestergrad war auch dazu angetan, diesen Gedanken zu bestärken, trotzdem nicht bewiesen werden kann, dass Weishaupt eine solche Absicht

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Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_347.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)