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selbst auffallen, ob, und wie weit sich der Orden mit Religion, und der christlichen Moral vertrage.

Der Selbstmord, welchen die Obern den Brüdern predigten, wenn sie selbige zu trüben Tagen vorbereiten wollten, gehört unter jene Sätze, die am meisten Aufmerksamkeit verdienen. Sie wussten diese Handlung als ein so leichtes und in gewissen Fällen vortheilhaftes Mittel zu schildern, dass es mich nicht wunderte, wenn ein oder der andere zu dieser Handlung schritt, besonders, da man durch Beyspiele dem Selbstmorde noch eine gewisse Wohllust anzudichten sucht. Meinetwegen mag das Beyspiel welches ein gewisser Oberer von einem Engländer erzählte, der sich selbst erhängt, aber noch zur rechten Zeit vom Strick losgemacht worden, wahr oder erdichtet seyn: so würde ich doch nicht der Narr sein, mich durch die blosse Aussage dieses Mannes, dass er die schönste Harmonie von Tönen in den Ohren gefühlt habe, verleiten lassen, meinen Ohren auf Kosten meines Lebens diesen angenehmen Kitzel zu verschaffen.

Unter allen bösen Grundsätzen aber, scheint mir der gefährlichste zu seyn .. .

Zweck heiligt die Mittel! Wollte einer diesem Grundsatze zu Folge handeln, so dürfte er, welches sonst gerne und getreulich geschieht, jeden ehrlichen Mann verläumden, sogar auch jenen, von dem man nur zu vermuthen hätte, dass er einst den Absichten des Ordens im Wege seyn könne, er dürfte den andern aus seiner Stelle drängen und vergiften, morden pp. Kurz! thun, was er wollte, wenn es nur zum grossen Zwecke führte. Und gesetzt auch, es ereignete sich der Fall entdeckt zu werden: — Patet exitus: eine Kugel für den Kopf — und man ist der Gerechtigkeit entrissen.

Ich würde zu keinem Ende kommen, wenn ich alle Folgen, welche für die Religion, und den Staat aus diesen Grundsätzen entspringen könnten, hier en detail niederschreiben wollte. Ich eile also zur Bemerkung, wovon ich schon gesprochen habe.

Das Sittenregiment, Sittencomission oder auch Tyscalat, wie sie es nennen pflegen, wäre ein Collegium aus den geschicktest, fähigt und rechtschaffensten Männern, das ist nach ihrer Sprache meist aus verschwundenen Illuminaten, welche das vollkommenste Vertrauen des Fürsten besitzen und ihres Auftrags gemäss von Sitten, und Ehrlichkeit eines jeden einen souverainen Ausspruch machen, und, weil ohne Ehrlichkeit

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Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_302.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)