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und Secretair, welch miteinander den Magistrat ausmachen, und in höhern Gnaden seyn müssen, ganz nach der Intention des Ordens dirigirt.

Es wurde daher monatlich wenigstens eine öffentliche Versammlung gehalten, wobey alle zur nämlichen Kirche gehörigen Mitglieder erscheinen und in einem verschlossenen Zettel unter der Aufschrift »Quibus licet« oder »Soli« oder »Primo« ein genaues Verzeichniss aller Handlungen, Worte pp. welche sie an andern wahrgenommen haben, den Obern überreichen müssen. Von Einsendung des Quibus licet ist kein Mitglied des Ordens, ausgenommen: sie gehen durch alle Grade durch und müssen von dem, welchem selbe eingehändigt werden, unerbrochen immer an hohe und höhere Obern übergeben werden.

Die übrigen Geschäfte der Versammlung bestehen neben wenigen Ceremonien in Verlesung der Ordensstatuten, wenigen Stellen aus einem alten Phylosophen und einer Rede, welche von den Mitgliedern wechselweise verfertigt werden muss, und von verschiedenen Stoffen sein kann. Und da man überhaupt die Religionairs nicht liebt, so erwirbt sich ein Mitglied viel Ehre, ja selbst den Ruhm eines aufgeklärten Kopfes, wenn seine Rede etwas frey abgefasst ist, obschon der Obere im Beyseyn anderer hinwieder, schwachen und unzuverlässigen Köpfen eine Miene einer kleinen Unzufriedenheit machen muss. Bei solcher Gelegenheit brauchten die Obern alle Vorsicht. Und es würde wider das System des Ordens grob gefehlt seyn, wenn sich der Obere einfallen liesse, in öffentlicher Versammlung frei zu reden und die Ordensgrundsätze zu verbreiten: jedes Mitglied würde dieses Verfahren des Obern für eine Folge des Systems angesehen haben.

Um also diesen Verdacht zu vermeiden, stellte man reichentliche Zusammenkünfte an, wobei die Mitglieder frey von Ceremonien und Zwange sich über jeden Gegenstand dissputieren dürften. Bei dieser Gelegenheit wussten die Obern, und andere, welche den Geist des Ordens einsogen, die Religions-Vorurtheile so lange lächerlich darzustellen, (denn alles heisst Vorurtheil, was ihrem Zwecke zuwider ist) und durch Scheingründe die Grundsätze des Ordens so anzüglich zu machen, bis gleichwohl der Schüchterne durch das Beispiel vieler anderer aufgefrischt, von Schlacken Religions-Vorurtheilen gereiniget, und mit ihren Grundsätzen beseelt, den andern Brüdern vollkommen gleich

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Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_298.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)