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Augen auf mich gerichtet, auf meinem Credit ruhte mein ganzes Gebäude: so wie dieser fiel, war ich nicht mehr im Stand, die Sache der Tugend mit diesem Nachdruck zu vertretten. Ich konnte mir vorstellen, dass jeder unfolgsame Jüngling durch eben dieses Beyspiel seinen mindern Glauben an Tugend rechtfertigen und unterhalten, dass er mich mit allen moralischen Schwätzern in eine Classe werfen würde, dass nun alles verlohren seyn würde, wenn keine Auswege gefunden würden, um diese Mackel meines Lebens zu verbergen. Und was am wenigsten in mir gewürkt, ich hatte Feinde von allen Seiten, die auf meine Schwäche schon seit vielen Jahren gelauert, die in dem Taumel ihrer Freude ein allgemeines Geschrey erwecken, die Sache übertreiben, alles gegen mich empören, und meinen Untergang befördern würden. Dies alles sahe ich in der stärksten Ausbildung, mit den grellsten Farben gezeichnet. Ich war beynahe bis zur Verzweiflung getrieben. In diesem Zustande, den niemand mehr empfinden kann, um meine und meiner Frau Ehre, und ich darf sagen, hauptsächlich um die Ehre der Tugend zu retten, entschloss ich mich zu diesem äussersten Mittel, zu dieser Handlung, die euch so sehr empört, welche ihr mit meinem übrigen Charakter so wenig vereinigen könnt. Nun tadelt immerhin diese Handlung, denn sie verdient es; aber sagt mir, verräth sie Bösartigkeit des Herzens? Bin ich ein Heuchler? verdiene ich diese Münchner Invectiven, welche mich dadurch als den sittenlosesten Menschen beschreiben wollen? Ist es billig, dass man sich nicht begnügt, alle Welt gegen mich zu waffnen, dass man auch noch über dies will, dass mein eigenes Kind mir fluchen und dereinst seinen Vater verabscheuen soll?

Also selbst dies, was das ärgste ist, beweist nichts gegen meinen Charakter, gegen meine Absichten, es beweist eher für mich; wozu war es also nöthig, diese geheime Sünde bekannt zu machen, ihr dadurch eine Art von Sanction zu geben, bey dem grössern Haufen meinen Charakter und mit solchem jeden Lehrer der Tugend verdächtig zu machen? Wozu war es nötig, das Kind gegen seinen Vater zu empören, und durch sein Beyspiel zu verderben? Schwerlich hat noch ein anderer Mensch vor mir solche Misshandlungen erfahren, und sie so wenig verdient. Der Herr wird wissen, warum ich sie erfahre.

Nicht genug: Auch ein Meineidiger soll ich seyn. Ich habe, wie man schreibt, fälschlich geschworen, dass ich nichts von diesen vorgefundenen, so gefährlichen Giften und Arzneyen

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Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_220.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)