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denn die Erfahrung hat Welt und Menschen klug gemacht, indem sie lehrt, dass jede Anstalt zehnmal missbraucht wird, bis sie einmal zum Guten benutzt wird. Doch sind auch hier, wie in allen übrigen Fällen, billige und gerechte Ausnahmen zu machen. Man würde sich z. B. sehr irren, wenn man glauben wollte, dass alle diese geheimen Verbindungen, schon bei ihrem ersten Entstehen, nach so grossen und weit aussehenden Plänen entworfen werden.

Viele derselben haben sehr kleine, unbedeutende Veranlassungen; manche sind auf weiter nichts als Zeitvertreib und Unterhaltung abgesehen, oder sie entstehen, wenn es hoch kommt, um einem temporären oder lokalen Bedürfnis abzuhelfen; sie würden mit diesem aufhören, wenn sie nicht durch die Gewohnheit erhalten würden. Erst in der Folge bemerkt ein oder der andere, dass sich eine solche Einrichtung, da nun einmal die Sache so weit im Gange ist, zu allgemeinern, fortdauernden und reellen Zwecken benutzen liesse. Der politische oder religiöse Druck sind wohl bei edleren Seelen die natürlichste Veranlassung, welche das Bedürfnis nach solchen Anstalten erwecken. Von einer anderen Seite sind der Eigendünkel, die Herrschsucht, die Unzufriedenheit mit schon vorhandenen älteren Gesellschaften, die Begierde, seine Einfälle geltend zu machen, die Ursache, dass sich einige von älteren Gesellschaften absondern, um nach ihren Ideen ein neues und besseres Reich zu gründen. So ist die Freimaurerei die gemeinschaftliche Stammmutter der meisten heutigen geheimen Gesellschaften. Die meisten Stifter der heutigen Orden sind Apostaten, ausgeschlossene, misshandelte oder nicht befriedigte Mitglieder dieser Gesellschaft. Diese haben in dieser Schule einsehen gelernt, dass sich auf diesem Wege noch ungleich mehr tun liesse, wie sehr sich der Hang der Menschen nach Geheimnissen zur Ausführung und Erreichung anderer Zwecke benutzen liesse. Solche Aussichten ermuntern und reizen die Thätigkeit unternehmender Menschen, und die anscheinende Leichtigkeit macht, das sich jeder über alle Schwierigkeiten hinwegsetzt.

Auch ich war der Stifter einer geheimen, verfallenen und nun öffentlich bekannt gewordenen Gesellschaft. Diese Gesellschaft, in deren Geist sich die wenigsten meiner Mitarbeiter hinein gedacht haben, welche der grössere Theil der Menschen mit Verachtung und Gleichgültigkeit betrachtet, ist von anderen

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Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_056.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)