Seite:Geschichte der protestantischen Theologie 645.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

vier Bänden unter dem Titel Licht und Recht 1729 ff. herausgegeben, aber das Haschen nach Erbaulichkeit ist dem klaren und sichern Verständniß nicht dienlich. Ebenso ist sein kirchengeschichtliches Werk über die Zeit von 1689–1719 eine historische Oratio pro domo, aber nicht objective Forschung. Weit bedeutender ist in dieser Hinsicht Gottfr. Arnold,[1] der jedoch bei inniger persönlicher Frömmigkeit den Gegensatz gegen die Kirche so sehr überspannte, daß er die wahre Descendenz und Tradition der Kirche d. h. des christlichen Lebens nur bei den Ketzern suchte, wodurch er aber sich das Verdienst erwarb, auf die Nothwendigkeit, sie mehr zu würdigen, hingewiesen, die innern Beziehungen aber, die zwischen Kirche und Ketzern bestehen und die ihre beiderseitige Geschichte zu Einer untrennbaren machen, hervorgestellt zu haben. Die dogmatischen Werke endlich, an denen der Pietismus es nicht fehlen läßt, haben der Wissenschaft nichts eingetragen.[2] Man geht


  1. Unpartheyische Kirchen- und Ketzerhistorie bis 1688, Frankfurt 1699, 4 Bde. Schon zuvor: Abbildung der ersten Christen. Sein Zweck ist nicht rein historisch, sondern er will wenigstens mittelbar der Erbauung dienen, besonders durch Ueberordnung der Liebe über die „reine Lehre.“ Er gab von historischer Seite dem Vertrauen zu der Kirche, auch der protestantischen, einen Stoß und wandte es den Unterdrückten, den Secten, besonders den Mystikern zu. Gegen ihn schrieb u. A. Ernst Sal. Cyprian Allgemeine Anmerkungen über G. Arnolds K. und K. G. 1700. Gerade die Vertreter der „reinen Lehre“ haben nach Arnold am wenigsten Heiligkeit des Wandels und Liebe bewiesen, das protestantische Ministerium verbi divini nicht anders als das Papstthum. Das Antichristische lag ihm daher nicht mehr nur im Papstthum wie den Magdeburg. Centuriatoren, sondern in der Klerisei, der Hierarchie überhaupt. Was sie lobt, ist gewiß schlecht, was sie tadelt, hat die Präsumtion der Güte für sich. Eine tiefe Verstimmung gegen allen kirchlichen Organismus, und dessen Mittelpunkt die „reine Lehre,“ waltet in ihm; in der letzteren sieht er ein Verstandeswerk, ein opus operatum, nur eine neue Form katholischer Werkheiligkeit. Da er die bisherige Betrachtungsweise auf den Kopf stellte, und zwar tumultuarisch in monotoner Methode, so drängte dieser Gegensatz um so mehr zu der Frage, was denn die wirkliche Geschichte gewesen sei? Besonnener als Arnold der Kirche und milder als die Orthodoxen den Ketzern gegenüber hält sich Weismann Introd. in memorabil. eccl. hist. s. N. T. 1718. 1745.
  2. Spener, Evang. Glaubenslehre; ein Jahrg. Predigten vom Jahr 1687 ed. WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt 1717. Breithaupt, Institutionum theolog. LL. II. 1693. Theses credendorum atque agendorum fundamentales. Hal. 1701. G. Anton, Collegium antitheticum. Freylinghausen, Grundlegung der Theologie u. s. w. 1704. Compendium oder kurzer Begriff der Theologie 1723. J. Lange, Oeconomia salutis u. s. w. 1730. Mehr polemisch sein: Antibarbarus orthodoxiae dogmat. hermeneut. 1709–11. Auch Spangenbergs Idea fidei fratrum 1782 mag in die Reihe dogmatischer Arbeiten, bei denen der praktisch erbauliche Zweck überwiegt, gestellt werden.
Empfohlene Zitierweise:
Isaak August Dorner: Spener und der Pietismus. J.G. Cotta, München 1867, Seite 645. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_der_protestantischen_Theologie_645.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)