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die Regierung die Dithmarschen aufrief, den Landschaften zu Hülfe zu kommen, was diese freilich ablehnten. Im Mai wiederholte sich der Sturm einem Erdbeben gleich. Alles Laub war schwarz, wie verkohlt, Mühlen wurden umgestürzt, viel Vieh ertrank. Den Büsumern entsank der Muth, sie supplicirten, daß man die Eindeichung aufgeben möge. Für den Augenblick mußte das freilich geschehen, und als man das Werk im nächsten Jahr wieder anfassen wollte, da erhoben die Reinsbütteler Schwierigkeiten, und die Witterung gestaltete sich so ungünstig, daß man froh war, nur nichts angefangen zu haben.

So schleppte sich das Werk von Jahr zu Jahr hin, nicht zur Erleichterung des letzten Schrittes; aber immer enger und weniger wurden die Wege, durch welche das Wasser zur Fluthzeit ein-, zur Ebbe ausströmte, immer größer dessen Gewalt, immer tiefer die Rinnen, die das ausströmende wühlte. Endlich erschien zur Schließung des Deiches das ganze Kirchspiel, Alt und Jung, Vogt und Eingesessener, Prediger und Gemeinde. So zog denn am 13. Juli 1608 auch Neocorus aus, beiläufig gesagt auch bedeutender Hofbesitzer, Hand an das gemeinschaftliche Werk zu legen. Zu seinem großen Verdrusse sah er, daß in dem Augenblick, wo alles auf Schnelligkeit ankam, sein Wagen langsam fahre. Da ergriff er den Spaten und drohte dem die Pferde lenkenden Jungen. Der aber, voll Angst vor dem gewaltigen Mann, warf sich vom Wagen und war auf der Stelle des Todes. Neocorus sagt, es sei ein kränklicher Schneiderjunge gewesen, aber der Pastor hatte Feinde, die über Todtschlag schrien, vor allen der Kirchspielvogt Bulm; das seien, sagt der Chronist, schändliche Lügen gewesen und kein blauer Fleck an dem Jungen gefunden. Gewiß ist, daß die Sache für einen Unfall erklärt wurde und Neocorus kein Leid geschah; aber es bleibt doch ein wunderbares Sittenbild: der Prediger mit dem Spaten drohend an dem einen Ende des Wagens und der zum Tod erschrockene Knabe in den Tod sich stürzend am andern.

Ein Jahr später, am 16. Juni 1609, ward dann auch im Westen der Koog geschlossen, am 7. Juli im Osten, und Büsum ward vollständig landfest. Das neugewonnene Areal war

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Wilhelm Heinrich Kolster: Geschichte Dithmarschens. Nach F. C. Dahlmanns Vorlesungen im Winter 1826. Wilhelm Mauke, Leipzig 1873, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_Dithmarschens_Kolster_1873.pdf/173&oldid=- (Version vom 14.6.2018)