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oft nämlich die Fluth die Meereswellen von neuem hob, stürmten dieselben in den beiden Meeresarmen, welche die Insel von Nord und Süd umfaßten, an, bis sie in der Mitte aufeinandertrafen. Es war ganz natürlich, daß das Wasser an dieser Stelle fallen ließ, was es an Sand und Schlick mit sich führte, und daraus baute sich ein Damm auf, auf dem man zur Ebbezeit, wenn nicht Stürme die See bewegten, trockenen Fußes das Festland erreichen konnte. Man nannte ihn die Wart; wie Neocorus meint, weil man dort den rechten Zeitpunkt abwarten mußte, denn wehe dem, der sich verspätete: mit reißender Schnelligkeit von beiden Seiten herankommend, schnitt ihn unfehlbar das Wasser ab, und er ward auch zu Pferd oder Wagen ein Kind des Todes. Und nun vollends zur Winterzeit, wenn die Eisschöllen sich übereinanderschoben, Eile verboten, den Weg vernichteten, wenn der Ueberraschte suchen mußte, sich barfuß durch das eisige Wasser zu retten. Aber so wünschenswerth die sichere Verbindung mit dem Lande auch schien, die große Menge sprach sich gegen ein Unternehmen aus, das sichere Mühe und Arbeit nebst Kosten in Aussicht stellte, ohne directen Gewinn zu versprechen. Aber die Verständigen ruhten nicht; sie wußten es dahin zu bringen, daß eine herzogliche Commission mit dem Kanzler Ad. Traziger an der Spitze erschien, um das Unternehmen zu begutachten. Ihnen leuchtete der große Gewinn leicht ein, und durch das Versprechen, daß der in Folge der Durchdämmung zu erwartende Landgewinn der Gemeinde zu Gute kommen und nach Kopfzahl ausgetheilt werden solle, erweckten sie auch bei der Commune Eifer für die Sache, und nun wurde von allen, Mann und Weib, Knecht und Magd, das Werk angegriffen und in drei Wochen, vom 8. bis zum 30. Juni, durchgeführt, nicht ohne Gefahr durch Hader und Eigensinn noch im letzten Augenblick zu scheitern, wie es uns Neocorus, Augenzeuge, soeben von der Universität Helmstedt zurückgekehrt, höchst anschaulich erzählt. – Freilich es verging eine Reihe von Jahren, ehe die Anschlickung, die man richtig vermuthet hatte, so bedeutend ward, daß man eindeichen konnte; erst 1617 nahm

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Wilhelm Heinrich Kolster: Geschichte Dithmarschens. Nach F. C. Dahlmanns Vorlesungen im Winter 1826. Wilhelm Mauke, Leipzig 1873, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_Dithmarschens_Kolster_1873.pdf/155&oldid=- (Version vom 14.6.2018)