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gesinnt war, und daß es lange dauerte, ehe er in die Gemüther und Lebensgewohnheiten eindrang, so zeigte sich dieß auch hier, wo im Freistaate die alten Gewohnheiten noch lange sich erhielten, und es folgte noch ein langer heftiger Kampf, ehe die neue kirchliche Einrichtung das ganze Leben des Staats durchdrungen hatte. Die protestantischen Geistlichen sahen die höchste Gefährdung des neuen Glaubens in den Bundesbriefen und der Bestrafung des Mordes. Die meisten Geschlechtsverbindungen, die in der letzten Zeit zum Theil schriftlich abgefaßt worden waren und desto schärfer lauteten, zielten dahin, daß ein Mitglied immer für das andere stehen müsse, und wenn Einer gerichtlich belangt würde, der Andere die Eideshülfe nicht verweigern dürfte, wenn er gleich wußte, daß sein Geschlechtsvetter Unrecht hatte, oder gar nichts davon wußte. Schon die Boien hatten ernstlich dagegen gekämpft; doch dauerte die Sitte fort bis 1538, wo endlich ein Wesentliches erreicht ward; es wurden in einer Landesversammlung die Geschlechtseide förmlich abgeschafft, und statt derselben blieb nur der Zwölf-Mannen-Eid, welchen der Beklagte mit elf anderen, die aber nicht aus seinem Geschlecht zu sein brauchten, schwören konnte. – Der andere Kampf ging dahin, daß der Mord nicht mehr durch Geld gebüßt werde; sondern die Geistlichkeit drang darauf, daß, wer Blut vergossen habe, dessen Blut solle wieder vergossen werden. Dem jüngeren Boie war Johannes Roger, ein Engländer, gefolgt; der wollte der Sache abhelfen, indem er Nothwehr und absichtlichen Mord unterschied. Nach harten Kämpfen, in welchen einmal alle Prediger ihr Amt niederlegten, kam es 1545 zu einem Landesbeschlusse, worin man von einem Extrem zum andern überging und festsetzte, künftig solle jeder Todtschlag mit Blut gesühnt werden.

Mit den geistlichen Dingen verbinden sich gleich die weltlichen; das Kloster von Lunden wird 1539 niedergerissen und das Material zum Bau eines Hammhauses in der Süderhamme verwandt. Als dies geschah, war Lunden schon kein Flecken mehr, sondern hatte am 27. Februar 1529 das Stadtrecht erhalten.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Heinrich Kolster: Geschichte Dithmarschens. Nach F. C. Dahlmanns Vorlesungen im Winter 1826. Wilhelm Mauke, Leipzig 1873, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_Dithmarschens_Kolster_1873.pdf/123&oldid=- (Version vom 14.6.2018)