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Die Teufelsromantiker.


Wo stecken nur die Teufelsromantiker? Der alte gute Musikdirector M. in Breslau erklärt sich plötzlich als ihren entschiedensten Gegner; auch die Allg. musik. Zeitung wittert deren immer. Wo stecken sie aber nur? Sind es vielleicht Mendelssohn, Chopin, Bennett, Hiller, Henselt, Taubert? Was haben die alten Herren gegen diese einzuwenden? Gelten ihnen Vanhal, Pleyel, oder Herz und Hünten mehr? Hat man aber jene und andere nicht gemeint, so drücke man sich doch deutlicher aus. Spricht man endlich gar von einer „Qual und Marter dieser musikalischen Uebergangsperiode,“ so gibt es Dankbare und Weitsichtige genug, die anderer Meinung. Man höre doch auf, Alles durcheinander zu mengen, und wegen dessen, was in den Compositionen der deutsch-französischen Schule, wie in Berlioz, Lißt etc. tadelnswerth erscheinen mag, das Streben der jüngern deutschen Componisten zu verdächtigen. Behagt euch aber auch dieses nicht, so gebt uns doch selbst Werke, ihr alten Herren — Werke, Werke! – [H 1]




Anmerkungen (H)

  1. [GJ] Auf Veranlassung von Mosewius’ Artikel über Alexander Dreyschock (Allgem. musik. Ztg. 1839 S. 290) Internet Archive geschrieben, worin es heißt: „Wie entfernt auch seine [Dreyschocks] Compositionen von denen der neuesten Schule stehen mögen, so zeichnen sie sich doch durch Ruhe, Klarheit und Ebenmaß aus… Die echten Clavierspieler sind der Meinung, ich verstände nichts vom Clavierspiel, vorzüglich, wenn es romantisch ist. Dafür danke ich dem Genius der Kunst, der mir das Wohlbehagen an dieser Teufelsromantik der neuesten Zeit verschloß, in der man bei musikalischen Fantasieen, welche ein so romantischer Jünger auf dem Clavier schlägt, an große Säle mit blühenden Mandelbäumen und nach Belieben an Cypressenhaine erinnert werden soll, wo blinkende Kronleuchter in tausend Farben spielen, bunte Vögel seltsamer Art und Gestalt herumfliegen, Wohlgerüche duften und im Hintergrunde glühende Gletscher sich neigen. — Mich freut es, wenn ich einen durch und durch gesunden Künstler wie Dreyschock antreffe… Wenn er fest auf dem betretenen Wege fortschreitet, wird die Welt später mehr von ihm hören, als daß er einer der tüchtigsten Claviervirtuosen ist; und da solche Erscheinungen niemals einzeln auftreten, wenn die Zeit sie gereift hat, so werden wir ähnlich Tüchtige folgen sehen, und die Qual und Marter dieser musikalischen Übergangsperiode wird ein Ende nehmen.“ — Mosewius’ Name findet sich seltsamerweise auch unter den früheren Mitarbeitern an Schumanns Zeitschrift aufgeführt, es scheinen aber nur die zwei mit „P. B.“ unterzeichneten Correspondenzen aus Breslau (1835, III, 123, Internet Archive und 1836, IV, 162 Internet Archive) von ihm herzurühren. — Mosewius’ „Teufelsromantiker“ waren übrigens mit Schumanns Entgegnung noch nicht abgethan. Man begegnet ihnen noch einmal in einer Satire, welche unter der Aufschrift: „Die alte Primadonna und der Musiknarr, novellistische Etude von H. Truhn“ in der „Ztg. für die eleg. Welt“ (1840 S. 293) Google erschien. Der folgende Auszug daraus ist einer Unterhaltung zwischen dem alten Musiknarren („Querkopf“ genannt) und dem Erzähler entnommen. Ersterer bezeichnet Thalberg als den „größten lebenden Clavierspieler und Componisten,“ der seinem (Querkopfs) Zögling als Muster vorleuchte. Als ihm eingewendet wird, daß es „vielleicht der Abwechselung wegen hübsch sei, wenn sein Virtuosenzögling auch etwas von Chopin oder Henselt spiele,“ erwidert der Alte: „O bewahre, bewahre, nein, nein! Das ist Romantik, neue Romantik — nichts fürs Publicum. Alles zu wirr zu wirr, zu wild zu wild — paßt nicht für den Concertsaal. Weiß auch, wie die componiren, die Neuromantiker. Sehr gut, sehr gut! Mein Freund, der Magister F[ink] in L[eipzig] hat mir alles erzählt. In derselben Stadt wohnt so ein Teufelsromantiker, der sich um keinen Menschen scheert, immer so vor sich hinbrütet, in der Dämmerstunde den Flügel aufmacht und nun wie wahnsinnig darauf herumfährt. Wenn’s dann mal recht arg kommt, wie es nie dagewesen: — schreibt er’s auf und läßt’s drucken. Und so machen’s alle Neuromantiker, die Teufelsromantiker! sagt mein Freund, der Magister. Aber er wird sie ausrotten mit Stumpf und Stiel, er hat mir’s versprochen. Er und sein Freund M[osewius] in B[reslau], auch Magister, und sein Freund C[arl] B[orromäus] v. M[iltitz], ein großer Componist in Dresden, der endlich herausgebracht hat, daß die Schröder-Devrient kein Genie ist: — diese drei haben sich verschworen, die ganze neue Romantik zu vertilgen mit sammt der neuen romantischen Zeitung, die der Teufelsromantiker Robert Schumann, der Aergste von Allen, herausgibt. Dieser soll es schon so weit gebracht haben, daß er gegen meinen Freund, den Magister, förmliche Injurien componirt, z. B. Magister, Philister u. s. w., was sehr gefährlich, da es [516] gar nicht herauszufinden und vor Gericht zu stellen ist, denn Text schreibt er nicht darunter. Zum Glück versteht es Niemand, außer der geheimen Gesellschaft der Teufelsromantiker, die sich ‚Davidsbündler‘ nennen. Aber die verstehen’s und lachen darüber und nennen solche componirte Injurien Humor, — was denn für einen Magister doch immer sehr ärgerlich ist…“ Vgl. auch Jansens „Davidsbündler“ S. 58 [Friedrich Gustav Jansen: Die Davidsbündler – Aus Robert Schumann’s Sturm- und Drangperiode, Ein Beitrag zur Biographie R. Schumann’s nebst ungedruckten Briefen, Aufsätzen und Portraitskizzen aus seinem Freundeskreise, Leipzig 1883 Google]. Anmerkung 33, II.515–516 Commons