Wo uns endlich aber wahrhaft Neues, Unerhörtes geboten wurde, lauter Altes nämlich, war in einigen der letzten Concerte, in denen uns Meister von Bach bis auf Weber in chronologischer Folge vorgeführt wurden. Ein Glück ist es, daß unsere Vorfahren nicht etwa vorwärts gedrehte historische Concerte veranstalten konnten; die Hand auf’s Herz — wir würden schlecht bestehen. So glücklich es nun machte, was man zu hören bekam, so wahrhaft mißmuthig, was man hier und da darüber hören mußte. Als ob wir Bach ehrten dadurch, als ob wir mehr wüßten als die alte Zeit, thaten Manche und fanden es curios und interessant zugleich! Und die Kenner sind die Schlimmsten dabei und lächeln, als ob Bach für sie geschrieben, — Er, der uns ziemlich sammt und sonders auf dem kleinen Finger wiegt, — Händel, feststehend wie der Himmel über uns, — Gluck nicht minder. Und man hört es, lobt es und denkt nicht weiter der Sache. Wahrhaftig, ich schätze die neue Zeit, und verstehe, verehre Meyerbeer; wer mir aber in hundert, was sag’ ich, in funfzig Jahren historische Concerte verbürgt, in dem eine Note von Meyerbeer gespielt wird, dem will ich sagen: „Beer ist ein Gott und ich habe mich geirrt.“[H 1]
– Ueber die Bach’sche Musik, die gegeben, läßt sich wenig sagen; man muß sie haben in den Händen, studiren möglichst und er bleibt unergründlich wie vorher. Händel scheint mir schon menschlich-erhabener; an Gluck verwirft man, wie gesagt, die Arien und läßt die Chöre
Anmerkungen (H)
- ↑ [GJ] Anmerkung 17: Schumann irrte in der That – wenigstens in Bezug auf die Opern Meyerbeers, die sich in Deutschland bis auf die neuste Zeit in der Gunst des Publicums behauptet haben. Lehrreich ist folgende, der Brüsseler Gazette von 1889 entnommene statistische Zusammenstellung von Opern, welche an der Pariser großen Oper in den Jahren 1828 bis 1888 mehr als 100 Aufführungen erlebt haben. Freilich läßt sich nicht daraus ersehen, ob und in welchem Maße die jährlichen Aufführungen gefallen oder gestiegen sind. II.506 Commons
[Jahr] [Oper] Vorstellungen. 1828 Auber, Stumme von Portici 505 Rossini, Graf Ory 434 1829 Rossini, Tell 743 1830 Auber, Gott und Bajadere 143 1831 Auber, Liebestrank 242 Meyerbeer, Robert d. Teufel 718 1832 Halévy, Die Versuchung 104 Auber, Der Schwur 102 1833 Auber, Gustav III. 169 1834 Mozart, Don Juan 213 1835 Halévy, Jüdin 505 1836 Meyerbeer, Hugenotten 821 1840 Donizetti, Favoritin 601 1841 Weber, Freischütz 210 Halévy, Königin von Cypern 118 1846 Donizetti, Lucia von Lammermoor 268 1849 Meyerbeer, Prophet 442 1857 Verdi, Troubadour 223 1859 Gounod, Faust 507 1865 Meyerbeer, Afrikanerin 399 1873 Thomas, Hamlet 277 1880 Verdi, Aida 300
Robert Schumann: Gesammelte Schriften über Musik und Musiker. Georg Wigand’s Verlag, Leipzig 1854, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gesammelte_Schriften_%C3%BCber_Musik_und_Musiker_Bd.3_(1854).pdf/45&oldid=- (Version vom 29.6.2023)