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oft auch wieder auf längere Zeit verscholl, bis dann Paganini erschien, der den Jüngling zu neuem Streben aufstachelte, wie er plötzlich vor zwei Jahren in Wien auftrat und die Kaiserstadt enthusiasmirte, – dies und anderes ist bekannt. Seit ihrem Bestehen hat die Zeitschrift dem Künstler zu folgen gesucht, hat nichts verheimlicht, was für und wider ihn laut wurde, obwohl sich bei weitem die meisten Stimmen und namentlich aller großen Künstler zum Lobe seines eminenten Talentes vereinigten. So kam er denn vor kurzem zu uns, mit den höchsten Ehren, die nur einem Künstler widerfahren können, bereits geschmückt, und feststehend im Ruhme; von jenen ihm neue zu bereiten, diesen erhöhen zu wollen, war schwer; leichter war es, daran rütteln zu wollen, wie es ja zu allen Zeiten Pedanten und Schelme gegeben. Auch das Letztere wurde hier versucht. Nicht durch Lißt’s Schuld war das Publicum durch die Vorausverkündigungen unruhig, durch Fehler im Concertarrangement verstimmt worden. Ein als Pasquillant bekannter Mann[H 1] machte sich das zu Nutze, anonym gegen den Künstler aufzuhetzen, und „wie Lißt nur zu uns gekommen wäre, seine unersättliche Habgier zu befriedigen.“ Gedenken wir der Unwürdigkeit nicht weiter.[H 2]

Das erste Concert am 17ten bot einen sonderbaren Anblick. In krauser Fülle stand die Menge durcheinander. Der Saal schien ein ganz anderer. Das Orchester war zu Plätzen für die Zuhörer benutzt. Dazwischen nun Lißt.

Anmerkungen (H)

  1. [GJ] Fr. Wieck. II.237 Commons
  2. [GJ] Anmerkung 48: In Brockhaus’ Allgem. Ztg. vom 23. März ließ Schumann sich näher darüber aus: „Morgen Abend giebt Herr Franz Liszt sein zweites und leider letztes Concert. Wir würden es auf das Innigste beklagen müssen, wenn es wirklich sein letztes wäre, könnten es jedoch andererseits dem Künstler kaum verdenken, seine Abreise nach Paris zu beschleunigen, da einige Stimmen laut geworden sind, die ihm zur Last zu legen sich bemühen, was Andere in übertriebenem Geschäftseifer versehen hatten. Wie kann es aber das Publicum berühren, wenn einige Personen keine Freibillets bekommen haben? Kommen Fehler und Versehen nicht auch bei unwichtigeren Concertgebern vor? Man wird doch nicht glauben wollen, Herr Liszt, der sein Leben hindurch wahrlich Beweise genug von Freigebigkeit und Hochherzigkeit gegeben, habe sich auf einmal bei uns burch Ausfall einiger Freibillets oder durch Sperrsitze (die anderwärts z. B. in Wien immer vorhanden) bereichern wollen. Und hätte er die Preise der Sperrsitze auch noch mehr erhöht, es käme doch noch lange nicht die Summe heraus, die er z. B. zur Errichtung des Monumentes für Beethoven angewiesen. Leider müssen wir solche Thatsachen erwähnen, einem Artikel gegenüber, der in einer „Beilage zum Dresdener Wochenblatt“ durch Unwahrheiten gegen den Künstler aufzuhetzen versucht hat. Aber Hr. Liszt steht zu hoch über solchen Angriffen. Erlaben wir uns denn lieber an der Kunst des letztern, anstatt von erstern noch weiter zu sprechen. Es ist eine Ehrenangelegenheit, und daß sie sich zur Freude Aller ausgleichen werde, dürfen wir von den Zauberkräften des Meisters wie von der gesunden Empfänglichkeit des Publicums getrost erwarten.“
    Mendelssohn, der eine „übergroße Freude“ von Liszts Aufenthalt in Leipzig hatte, schrieb über die Streitigkeiten an Moscheles (21. März): „Leider ist auch er [Liszt] von einem Geschäftsführer und einem Secretär umringt, die seine Sachen so mordschlecht besorgen, daß das ganze Publicum entsetzlich aufgebracht gegen ihn war, und daß es uns allen die größte Mühe gekostet hat, die Sache zum zweiten Concert nur einigermaßen auszugleichen. Die Anzeigen, die Abänderungen, die Preise, das Programm, kurz Alles, was nicht Liszt selbst gemacht [523] hatte, war verkehrt und setzte die ruhigen Leipziger in Wuth. Jetzt, denke ich, haben sie sich eines bessern besonnen, und Hiller, Härtel, Schumann und ich haben die Secretäre möglichst zu neutralisiren gesucht.“ Seiner Mutter schildert Mendelssohn den Vorgang ebenfalls (30. März) und fügt hinzu: „Nun fiel mir ein, daß die schlechte Stimmung vielleicht am besten zu beseitigen sein würde, wenn die Leute ihn einmal in der Nähe besähen und behörten, entschloß mich kurz und gab ihm eine Soirée auf dem Gewandhause von 350 Personen, mit Orchester, Chor, Bischof, Kuchen, Meeresstille, Psalm, Tripel-Concert von Bach (Liszt, Hiller und ich), Chören aus Paulus, Fantasie sur la Lucia di Lammermoor, Erlkönig, Teufel und seine Großmutter, und da waren alle so vergnügt und sangen und spielten mit solchem Enthusiasmus, daß sie schwuren, sie hätten noch keinen lustigern Abend erlebt, und mein Zweck wurde dadurch glücklich und auf eine sehr angenehme Art erreicht.“ – Hiller gab Liszt zu Ehren ein glänzendes Mittagsmahl, zu welchem er die musikalischen Größen Leipzigs eingeladen hatte. „Als wir (so erzählt Hiller) von unseren socialen Heldenthaten später plauderten, amüsirte es Mendelssohn königlich, daß meine halb verborgene und wenige Leute umfassende Fête mich viel mehr gekostet hatte, als ihn seine großartige Demonstration. Sein Lachen bei dergleichen hatte etwas Kindlich-naiv-gutmüthiges, und er war eigentlich nie gemüthlicher, als wenn er ein wenig spotten konnte.“ II.522–523 Commons