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glaubte. Am schwierigsten aber läßt sich über diese Kunst selbst sprechen. Es ist nicht mehr Clavierspiel dieser oder jener Art, sondern Aussprache eines kühnen Charakters überhaupt, dem zu herrschen, zu siegen das Geschick einmal statt gefährlichen Werkzeugs das friedliche der Kunst zugetheilt. Wie viele und bedeutende Künstler in den letzten Jahren an uns vorübergegangen sind, wie viel wir selbst besitzen, die Lißt’en in mancher Weise gleichstehen, an Energie und Kühnheit müssen sie ihm alle sammt und sonders weichen. Namentlich Thalberg hat man gern mit ihm in die Schranken stellen, beide mit einander vergleichen wollen. In der That braucht man nur beider Köpfe zu betrachten, um den Schluß zu ziehen. Ich erinnere mich des Ausspruchs eines bekannten Wiener Zeichners, der den Kopf seines Landsmanns nicht uneben mit dem „einer schönen Comteß mit einer Männernase“ verglich, während er von Lißt’s Kopfe sagte, daß er jedem Mahler zu einem griechischen Gott sitzen könne. Ein ähnlicher Unterschied gilt etwa von ihrer Kunst. Näher an Lißt steht schon Chopin als Spieler, der ihm wenigstens an feenhafter Zartheit und Grazie nichts nachgibt; am nächsten wohl Paganini und als Weib die Malibran, von denen beiden Lißt auch das Meiste genützt zu haben bekennt.

Lißt mag jetzt gegen 30 Jahr alt sein. Wie er schon als Kind ein Wunder genannt, wie er frühzeitig in die Fremde verschlagen wurde, wie später sein Name glänzend hier und dort neben den berühmtesten auftauchte,