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möcht’ ich beinahe der ersten Wirkung des Goethe’schen Erlkönigs vergleichen. Welch meisterliches Gebilde, wie in Einem Moment gedacht, entworfen und vollendet, und mit wie wenig Aufwand, wie bescheiden vollendet! Der Phantasie des Musikers auf den Grund sehen zu wollen, ist gefährlich; bei der Rhapsodie scheint es mir aber gewiß, daß noch etwas im Spiele, daß der Musik vielleicht eine besondere Veranlassung zum Grunde liegt, ein Gedicht, ein Bild, ein Lebensereigniß. Einem Dichter, der gut Musik verstände, möchte die Deutung am leichtesten gelingen. Wie dem sei, die Rhapsodie wirkt gleich einer Erscheinung aus anderer Welt; den Augen nicht trauend, sehen wir noch lange um uns, wenn sie schon entschwunden.

Die Sonate[H 1] ist ein nicht minder treffliches Werk. Der einzige Vorwurf, den ihr der anspruchvolle Musiker machen dürfte, wäre die Wiederholung des 2ten Themas im 2ten Theile, wie sie sich in der Sonate und im ersten und letzten Satze findet; so ausdrucksvoll der Gesang ist, so müßte doch an dieser Stelle die Phantasie einen andern, kühneren Weg sich brechen. Das Machen ist freilich immer schwerer, als das Rathen hinterher. Im Uebrigen weht durch den ganzen[H 2] Satz eine so schöne, kräftige Leidenschaft, und der Dichter erscheint trotz dem darin seiner Aufregung so sehr Meister, daß er eben so rührt wie beruhigt; ich weiß nicht, in welchem Alter die Sonate geschrieben, ich möchte sie aber für auf dem Wendepunct vom Jünglings- zum Mannesalter entstanden

Anmerkungen (H)

  1. [GJ] [Werk 8, F moll]
  2. [GJ] [ersten]