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der Phantasie nur wiederholen, was wir über Werk 17 gesagt, wenn jene ihrer Anlage nach auch auf anderm Gebiete spielt, bei weitem complicirter, schwieriger und anspruchvoller ist. An schönen Melodieen ist sie überreich und schmettert es darin wie aus Nachtigallenbüschen. Auch an den Bennett eigenen Harmonieenwendungen läßt sich der Dichter errathen. Der Charakter ist in den drei ersten Sätzen überwiegend lyrisch, der letzte erhebt sich dramatischer und regt die Phantasie am stärksten auf: Musiker, Maler und Poet finden hier Stoff. Zu ihrer Darstellung passen nur wirkliche Künstler. Dilettanten würden sich schwerlich herauszufinden wissen, wenigstens die Mehrzahl.[H 1]

Von neuen Compositionen Chopin’s haben wir, außer einem Heft Mazurken und drei Walzern, eine merkwürdige Sammlung von Präludien zu erwähnen. Er gestaltet sich immer lichter und leichter — oder ist’s Gewöhnung an seine Weise? — So werden die Mazurken[1] im Augenblick anmuthen und scheinen uns populärer als die früheren: vor allen müssen die drei Walzer[2] gefallen, andern Schlages als die gewöhnlichen, und in der Art, wie sie nur einem Chopin beikommen können, wenn er in das Tanzgemenge, das er eben hebt durch sein Vorspielen, großkünstlerisch hineinsieht und andere Dinge denkend, als was da getanzt wird. Ein so fluthendes Leben bewegt sich darin, daß sie wirklich im


  1. Werk 33.
  2. Werk 34.

Anmerkungen (H)

  1. [GJ] Bennett hat die Phantasie Werk 16 Schumann gewidmet als Gegengabe für die Widmung der symphonischen Etüden an ihn. Es handelte sich dabei (wie mir Bennetts Sohn mittheilte) zugleich um einen Scherz: Bennett wollte ein schwieriges Stück schreiben, woran Schumann tüchtig zu üben haben sollte. Vielleicht war es auch nach dieser Seite hin auf ein Gegenstück zu den symphonischen [518] Etüden abgesehen. Ueber das Finale der letzteren liest man in J. A. Fuller Maitlands Biographie Schumanns (London 1888 [WS: bzw. London und New York 1884, S. 53–54]) S. 53: „Das Thema, mit dem es beginnt, ist einer Melodie aus Marschners Oper Templer und Jüdin: ‚Du stolzes England, freue dich‘ entnommen. Die Wahl dieses Themas für das Finale sollte eine Huldigung für Sterndale Bennett sein, der gerade zu der Zeit nach Leipzig gekommen war, als die Variationen componirt wurden, und dem sie Schumann widmete. Es ist jedoch zu befürchten, daß der englische Componist die Ehre, die Schumann ihm erwiesen hatte, kaum auf ihren richtigen Werth hin würdigte, denn es wird von ihm erzählt, daß, als er später das Werk gelegentlich hörte, er es nicht wiedererkannte.“ Internet Archive Das ist wohl glaublich, stimmt auch zu Bennetts Tagebuch, in dem von Schumann nur in den herzlichsten und freundschaftlichsten Worten gesprochen wird, während man vergeblich nach einer Aeußerung über seine Compositionen sucht. (Man darf hieraus übrigens nicht etwa folgern, daß Bennett der Schumannschen Musik theilnahmlos gegenübergestanden habe; er hat vielmehr einige von Schumanns größeren Werken zuerst in England eingeführt, z. B. 1856 die Peri.) — Bennetts A dur-Phantasie ist in England erst nach dem Tode des Verfassers veröffentlicht worden, — wie der Sohn meint: weil der Componist selbst ihr keinen sonderlichen Werth beigelegt habe. II.517–518 Anmerkung 40 Commons