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wieder einen Reichthum an ungewöhnlichen Mitteln, eine Macht, die heimlichern, tiefer spinnenden Fäden der Harmonie zu verwirren und auseinander zu legen, wie man es nur an erfahrenen Künstlern, an Männern gewohnt ist. Ueber das Erstere, die Jugend der Componistin, sind wir einig. Das Andere aber zu würdigen, muß man freilich wissen, wie sie, als Virtuosin schon, auf dem Höhenscheitel der Zeit steht, von wo aus ihr Nichts verborgen geblieben. Wo Sebastian Bach noch so tief eingräbt, daß das Grubenlicht in der Tiefe zu verlöschen droht, wo Beethoven ausgreift in die Wolken mit seiner Titanenfaust, was die jüngste Zeit, die Höhe und Tiefe vermitteln möchte, vor sich gebracht hat, von all diesem weiß die Künsterlin und erzählt davon in lieblicher Mädchenklugheit, hat aber deshalb auch die Anforderungen an sich auf eine Weise gesteigert, daß Einem wohl bange werden könnte, wo dies Alles hinaus soll. Ich vermag nicht vorzugreifen mit meinen Gedanken hierüber; Vorhang steht bei solchem Talente hinter Vorhang und die Zeit hebt einen nach dem andern hinweg, und immer anders, als man vermuthet. Aber daß man einer solchen wundersamen Erscheinung nicht gleichgültig zusehe, daß man ihr Schritt vor Schritt in ihrer geistigen Entwickelung nachfolge, wäre von Allen zu erwarten, die in unserer denkwürdigen Gegenwart nicht ein loses Durcheinander des Zufalls, sondern die natürliche, innige Verknüpfung verwandter Geister von Sonst und Jetzt erkennen.