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Auch daß die Hauptmomente zum Nachtheil des Eindrucks des Ganzen schon in dem ersten Theile der Handlung liegen, daß die Nebenperson Stephanus wenn nicht ein Uebergewicht über Paulus erhält, so doch das Interesse an diesem schmälert, daß endlich Saulus mehr wirkt in der Musik als Bekehrter, denn als Bekehrender, ist ebenfalls richtig bemerkt worden, so wie daß das Oratorium überhaupt sehr lang ist, und bequem in zwei zerfallen könnte. Anziehend zum Kunstgespräch ist vor Allem Mendelssohn’s dichterische Auffassung der Erscheinung des Herrn; doch meine ich, man verdirbt durch Grübeln und könnte damit den Componisten nicht ärger beleidigen, als hier in einer seiner schönsten Erfindungen. Ich meine, Gott der Herr spricht in vielen Zungen, und den Auserwählten offenbart er ja seinen Willen durch Engelchöre; ich meine, der Maler drücke die Nähe des Höchsten durch oben aus dem Saum des Bildes hervorschauende Cherubköpfe poetischer aus, als durch das Bild eines Greises, das Dreifaltigkeitszeichen etc. Ich wüßte nicht, wie die Schönheit beleidigen könnte, wo die Wahrheit nicht zu erreichen ist. Auch hat man behaupten wollen, daß einige Choräle im Paulus durch den seltenen Schmuck, mit dem sie Mendelssohn umgeben, an ihrer Einfalt einbüßten. Als ob die Choralmusik nicht eben so gut Zeichen für das freudige Gottvertrauen, wie für die flehende Bitte habe, als ob zwischen „Wachet auf“ etc. und „Aus tiefer Noth“ etc. kein Unterschied möglich wäre, als ob das Kunstwerk nicht