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sie durch die Schönheit der Erscheinung zum reinen Kunstgenuß gemildert. Und hier trat jener wundervolle Accord ein, wo die Wandlerin außer aller Gefahr wie auf ihr Ruhebett hingelagert scheint und ruhige Mondesstrahlen darüber fließen. Dieser glückliche Zug entschied über den Künstler und man überließ sich im letzten Satz ungestört der Freude, die wir vom Meister zu erhalten gewohnt sind, mag er uns nun zu Kampf oder Friede führen.

Hab’ ich mich in den vorigen Zeilen vielleicht zu sehr hinter das Urtheil des Publicums geflüchtet, oder wollte vollends Jemand einwenden, ich hätte darin zu viel Günstiges herausgelesen, so bin ich auch bereit, alles, was ich über die Trefflichkeit des Concerts berichtet, allein zu vertreten. Denn zu sehr Noth thut es, daß wahrhaft musikalischen Künstlern die Ehren gesichert werden, mit denen man Virtuosen, die nichts als ihre Finger haben, oft so unbedacht überhäuft, und daß man beide von einander trennen lerne. Ja, gäb’ es nur noch viele Künstler, die in dem Sinne, wie W. Bennett wirkten — und Niemandem dürfte mehr vor der Zukunft unsrer Kunst bange sein. —[H 2]




Anmerkungen (H)

  1. [WS] Ignaz Moscheles
  2. [WS] In dem ursprünglichen Zeitschriftenartikel (Neue Zeitschrift für Musik 1837, Jg. 4, Band 6, Nr. 16, S. 65 Internet Archive) schließt sich – quasi in eigener Sache – eine Kritik über Schumanns Klaviersonate Nr. 3 f-moll op. 14 Concert sans Orchestre an:
    „Da wir bei den neusten Concerten stehen, so wäre hier allerdings der Ort, auch über ein bei Haslinger erschienenes sogenanntes Concert sans Orchestre zu berichten, das das Schelmenpaar Florestan und Eusebius unter dem Namen des Unterzeichneten herausgegeben. Strafe ich sie für diesen Namenraub, daß ich selbst keine Silbe über ihr Opus 14 verrathe. Indeß scheinen mir einige Worte aus dem Briefe eines geliebten Meisters (desselben, dem es zugeeignet ist [H 1]) zu bedeutend, als daß ich sie ganz unterdrücken könnte. Darin heißt es nämlich unter Anderem:
    »In Motivirung des Titels ließe sich einiges einwenden. Das Werk hat weniger die Erfordernisse eines Concertes, und mehr die charakteristischen Eigenheiten einer großen Sonate, wie wir einige von Beethoven und Weber kennen. In Concerten ist man (leider) gewohnt, neben der Einheit im Style einige Rücksichten auf glänzende Bravour oder coquettirende Eleganz des Spieles genommen zu sehen, welche in diesem Werke keinen Platz finden konnten, ohne es von dem Standpuncte zu entfernen, den ihm Ihre Phantasie eingeräumt hat. Der Ernst und die Leidenschaft, die im Ganzen herrschen, stehen sehr im Gegensatz mit dem, was ein Concert-Auditorium unsrer Zeit erwartet. Es will eines Theils nicht tief erschüttert werden, und andern Theils fehlt es ihm an den Fähigkeiten und der musikalischen Weihe, solche Harmonieen und genialische Verschlingungen zu verstehen und aufzufassen, wie es nur den Ohren und dem Gemüthe möglich ist, welches bewandert ist in der höheren Sprache der Heroen der Kunst. In manchen Harmonieführungen sind Dissonanzen gebraucht, deren folgende Auflösung nur einem erfahrenen Ohre die Härte ihres Eindrucks mildern. Die Vorhälte und Suspensionen, deren Entwicklung zuweilen erst im 2ten und 3ten Tacte sich erklärt, sind oft herbe, obschon gerechtfertigt. Um dadurch nicht gestört oder beleidigt zu werden, muß man ein erfahrener Musiker sein, der im voraus erräth und erwartet, wie sich alle Widersprüche lösen, wie ich mir einen Staatsminister denke, der mitten im tobenden Gewimmel eines Hofballs sein Auge und Ohr überall zu fesseln scheint, und doch es Einigen vorzugsweise leiht, die er diplomatisch zu erforschen strebt etc.« 
    So ist es. Macht euch aber, Florestan und Euseb, eines so wohlwollenden Urtheils dadurch würdig, daß ihr auch künftighin so streng gegen euch selbst seid wie so manchmal gegen Andere.“
    Robert Schumann.

    S. a. GJ II.15–16