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Hebriden (die sich etwa wie Shakespeare und Ossian[H 1] zu einander verhalten), in welchen der romantische Geist in solchem Maße schwebt, daß man die materiellen Mittel, die Werkzeuge, welche er braucht, gänzlich vergißt. Dennoch bewegt sich Hiller im Abenteuerlichen und Feenhaften, wenn auch nicht so poetisch fein, wie Mendelssohn, doch immer sehr glücklich, und die 2te, 17te, 22ste, 23ste Studie gehören, wie zu den gelungenen in der ganzen Sammlung, zu dem Besten überhaupt, was seit der F moll-Sonate von Beethoven[H 2] und Anderem von Franz Schubert, welche dieses Wunderreich zuerst erschlossen zu haben scheinen, geschrieben worden ist.

Rechne man hierzu noch eine sehr starke Erfindung und einen Charakter, der vielleicht manchmal zu grundlos das Gewöhnlichere zurückweist, so haben wir das Bild eines Künstlerjünglings, der wohl verdient, das Interesse einzuflößen, welches viele am Adel seiner Geburt genommen, der ihn aber noch nicht auf die mäßige Weise zu benutzen versteht, welche zur Selbstkenntniß führt, mit der wir über unsre angebornen geistigen Reichthümer zu schalten und walten haben.

Wie dies gemeint ist, sollen die übrigen Theile noch deutlicher machen.

Zweiter Theil: theoretischer, Verhältniß der Melodie zur Harmonie, Form und Periodenbau. Wo Hiller’s Talent nicht ausreicht, da thut es auch sein Wissen nicht. Er hat vieles gelernt, scheint aber wie

Anmerkungen (H)

  1. [WS] Ossian, ein von James Macpherson (1736–1796) erfundener gälischer Dichter, dessen Werke in der Romantik weite Verbreitung fanden, obwohl Samuel Johnson schon 1764 die Existenz von Ossian ernsthaft bezweifelte. Mendelssohns Ouvertüre Die Hebriden op. 26 (1829/31/33) referiert auf die Die Fingalshöhle, die nach Macphersonss fiktiven Helden „Fingal“ benannt ist.
  2. [WS] Von Beethovens beiden Klaviersonate, die in f-moll stehen – Nr.1, op. 2,1 (1793) und Nr.23, op. 57 Appassionata (1805) –, kommt nur die letztere in Betracht.