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wie strebt er noch immer, und nur einfacher und künstlerischer! Denn auch das Trio gehört Chopins früherer Periode an, wo er dem Virtuosen noch etwas Vorrecht einräumte. Wer wollte aber der Entwickelung einer solchen abweichenden Eigenthümlichkeit künstlich vorgreifen, dazu einer solchen energischen Natur, die sich eher selbst aufriebe, als sich von Andern Gesetze vorschreiben zu lassen! So hat Chopin schon verschiedene Stadien zurückgelegt, das Schwierigste ist ihm jetzt zum Kinderspiel worden, daß er es wegwirft, und als eine echte Künstlernatur das Einfachere vorzieht. – Was könnte ich über dieses Trio sagen, was nicht jeder, der ihm nachzuempfinden vermag, sich selbst gesagt hätte! Ist es nicht so edel als möglich, so schwärmerisch, wie noch kein Dichter gesungen hat, eigenthümlich im Kleinsten wie im Ganzen, jede Note Musik und Leben? Armer Berliner Recensent,[H 1] der du von all diesem noch nichts geahnet, nie etwas ahnen wirst, armer Mann!

Ein Blick auf das Trio von Schubert[H 2] – und das erbärmliche Menschentreiben flieht zurück und die Welt glänzt wieder frisch. Ging doch schon vor etwa zehn Jahren ein Schubert’sches Trio, wie eine zürnende Himmelserscheinung, über das damalige Musiktreiben hinweg; es war gerade sein hundertstes Werk, und kurz darauf, im November 1828, starb er. Das neuerschienene Trio scheint ein älteres. Im Styl verräth es durchaus keine frühere Periode und mag kurz vor dem bekannten in Es dur geschrieben sein. Innerlich unterscheiden

Anmerkungen (H)

  1. [GJ] Rellstab. [WS] Ludwig Rellstab (1799–1860), Herausgeber und Rezensent der Berliner Zeitschrift Iris im Gebiete der Tonkunst verhielt sich stark ablehnend gegenüber den Romantikern. Über das Verhältnis zwischen Schumann und Rellstab siehe MK II.450–453.
  2. [GJ] Werk 99, in B. [WS] Franz Schubert (1797–1828) – das Klaviertrio Nr. 1 B-Dur op. 99 D898 (1828, Erstveröffentlichung 1836) IMSLP und Klaviertrio Nr. 2 Es-Dur op. 100 D929 (1827, Erstveröffentlichung 1828) IMSLP gehören zu den bedeutendsten Klaviertrios überhaupt.