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steht zu hoffen, daß er weiter strebe. Denn wer meinte, mit dem Studium jener Zwei sei es in heutiger Zeit abgethan, würde sehr zurückbleiben. Die höchsten Berge sind noch immer nicht erstiegen worden und die Meerestiefe mag noch manche Schätze hegen.

Wir kommen zu einer sehr freundlichen Composition, einem (wie Wedel will) Gedreie von Ambrosius Thomas[1] — ein Salontrio, bei dem man schon einmal lorgnettiren[H 2] kann, ohne deshalb den Musikfaden gänzlich zu verlieren; weder schwer, noch leicht, weder tief, noch seicht, nicht classisch, nicht romantisch, aber immer wohlklingend und im Einzelnen sogar voll schöner Melodie, z. B. im weichen Hauptgesange des ersten Satzes, der aber im Dur viel von seinem Reiz verliert, ja sogar gewöhnlich klingt, — so viel macht oft die kleine und große Terz.

In der Form zeichnen sich alle Sätze durch Kürze und Zartheit aus; im ersten erscheint sie so gedrängt, daß ein eigentliches zweites Thema nicht zum Vorschein kömmt, dafür aber ein kleiner melodischer Gang der Violine, den das Violoncell aufnimmt. Das Andante gibt nichts Außerordentliches und leitet den letzten Satz und das geschickt ein. Ueber dem letzten steht „Finale“: Rondo wäre richtiger. Französische Leichtigkeit und deutsche Schule findet man auch hier. Der Componist hat sich zu hüten, daß er nicht in’s Süßliche und Weibische

  1. Werk 2.[H 1]

Anmerkungen (H)

  1. [GJ] Werk 3, in C. [WS] Ambroise Thomas (1811–1896), französischer Komponist; sein einziges Klaviertrio C-Dur op. 3, wurde 1835 veröffentlicht.
  2. [WS] Das Lorgnon ist eine Sehhilfe; lorgnettieren: durch die Lorgnette betrachten, scharf mustern – in diesem Fall: den Blick im Salon schweifen lassen.