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genug zu preisenden Gebrüdern Müller[H 1] bei ihrem Spiele einzelner Beethovenscher Quartette vorwarf. Die letzteren Compositionen von Moscheles entkleiden sich aber zum Kunstvortheil immer mehr des äußerlichen Prunkes und verlangen, sollen sie fassen und gefaßt werden, vorzüglich einen musikalischen Menschen, der ein Gemälde herzustellen versteht, wo sich das Kleine dem höheren Ganzen unterordnen muß. Daß trotzdem der Virtuose in ihnen vollauf findet, sich zu zeigen und zu imponiren, ist ein Vorzug mehr, den wenig andere in solch weisem Maße theilen.

Wir glauben in der Kunstbildung dieses Meisters drei Perioden mit Bestimmtheit bezeichnen zu können. In die erste, etwa vom Jahr 1814–20, fallen die Alexander-Variationen, das Concert in F, und einiges aus dem in Es.[H 2] Es war die Zeit, wo das Wort „brillant“ in Schwung kam und sich Legionen von Mädchen in Czerny verliebt hatten. Auch Moscheles blieb nicht zurück mit Brillanten, nur daß er, seiner Bildung gemäß, feiner geschliffene zur Schau stellte; der bessere Musiker ward aber im Ganzen von dem angestaunten kühnen Virtuosen verdunkelt. Mit der vierhändigen Es dur-Sonate[H 3] geht er zur zweiten Periode über, wo sich Componist und Virtuos mit gleicher Stärke die Hand zum Bündniß reichen, — die Blüthenzeit, in der das G moll-Concert und die Etüden entstanden,[H 4] zwei Werke, durch die allein er sich der Reihe der ersten Claviertonsetzer der Gegenwart anschließt. Die Brücke zur dritten Periode,

Anmerkungen (H)

  1. [WS] Die „Gebrüder Müller“ sind der Ausdruck für zwei berühmte Streichquartette. Das ältere bestand aus den vier Söhnen von Ägidius Christoph Müller, einem in Braunschweig lebendem Hofmusiker. Es wirkte in der Zeit 1831–1855 und ist das von Schumann gemeinte. 1. Violine: Karl Friedrich (11. November 1797 in Braunschweig geboren und dort am 4. April 1873 gestorben), 2. Violine: Franz Ferdinand Georg (30. Juli 1808 – 22. Mai 1855), Viola: Theodor Heinrich Gustav (3. Dezember 1799 – 7. September 1855), Violoncello: August Theodor (27. August 1802 – 20. Oktober 1875). Das spätere Quartett wurde durch vier Söhne von Karl Friedrich gebildet und bestand von 1855 bis 1873. Siehe Riemann Musiklexikon, 10. Auflg. 1922, S. 862.
  2. [WS] Grandes Variations sur un Theme militaire: La Marche d'Alexandre variée F-Dur op. 32 (1815, revidiert 1822) für Klavier und Orchester; die Soli bei IMSLP; Klavierkonzert Nr. 1 F-Dur op. 45 (1818) IMSLP; Klavierkonzert Nr. 2 Es-Dur op. 56 (1821) IMSLP.
  3. [WS] Große Sonate Es-Dur op. 47 (1819) für Klavier zu vier Händen IMSLP.
  4. [WS] Klavierkonzert Nr. 3 g-moll op. 58 (1820) IMSLP; 24 Etüden op. 70 (1825–26) für Klavier IMSLP.