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Kritische Umschau.
I.
Ouverturen.
Erste Ouverture von J. W. Kalliwoda, W. 38.
Zweite Ouverture von demselben, W. 44.
[H 1]


Die Gegenwart wird durch ihre Parteien charakterisirt. Wie die politische kann man die musikalische in Liberale, Mittelmänner und Reactionäre oder in Romantiker, Moderne und Classiker theilen. Auf der Rechten sitzen die Alten, die Contrapunctler, die Antichromatiker, auf der Linken die Jünglinge, die phrygischen Mützen,[H 2] die Formenverächter, die Genialitätsfrechen, unter denen die Beethovener als Classe hervorstechen. Im Juste-Milieu[H 3] schwankt Jung wie Alt vermischt. In ihm sind die meisten Erzeugnisse des Tags begriffen, die Geschöpfe des Augenblicks, von ihm erzeugt und wieder vernichtet.

Kalliwoda gehört zu den Mittelmännern, zu den Freundlichen, Klugen, zu Zeiten Gewöhnlichen. Seine Symphonieen sind Blitze, die einmal an römischen und

Anmerkungen (H)

  1. [WS] Johann Wenzel Kalliwoda (1801–1866), böhmisch-deutscher Komponist, Kapellmeister und Violinist. Ouverture Nr. 1 d-moll op. 38 (vor 1833); Ouverture Nr. 2 F-Dur op. 44 (1832), beide für Orchester.
  2. [WS] Phrygische Mütze oder Jakobinermütze, Kennzeichen revolutionärer Gesinnung.
  3. [WS] Juste-Milieu, die Mitte, das Mittelmaß.