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deine hohen Lieder des Schmerzes und der Freude dünken uns noch nicht groß genug, dir kein Denkmal zu setzen, und du entgehst unserer Anerkennung keineswegs!

Seh’ ich es dir doch an, Euseb, wie dich meine Worte ärgern, und wie du dich vor lauter Seelengüte zu einer Statue in einem Carlsbader „Sprudel“ versteinern liessest, wäre damit dem Comité gedient. Trag’ ich denn nicht auch den Schmerz in mir, Beethoven nie gesehen, die brennende Stirn nie in seine Hand gedrückt zu haben, und eine große Spanne meines Lebens wollte ich darum hingeben … Ich gehe langsam zum Schwarzspanierhause Nro. 200,[H 1] die Treppen hinauf: athemlos ist alles um mich: ich trete in sein Zimmer: er richtet sich auf, ein Löwe, die Krone auf dem Haupt, einen Splitter in der Tatze. Er spricht von seinen Leiden. In derselben Minute wandeln tausend Entzückte unter den Tempelsäulen seiner C moll-Symphonie.[H 2] — Aber die Wände möchten auseinander fallen; es verlangt ihn hinaus: er klagt, wie man ihn so allein liesse, sich wenig um ihn bekümmere. — In diesem Moment ruhen die Bässe auf jenem tiefsten Ton im Scherzo der Symphonie: kein Odemzug: an einem Haarseil über einer unergründlichen Tiefe hängen die tausend Herzen und nun reißt es und die Herrlichkeit der höchsten Dinge baut sich Regenbogen über Regenbogen an einander auf. — Wir aber rennen durch die Straßen: Niemand, der ihn kennte, der ihn grüßte. — Die letzten Accorde der Symphonie dröhnen: das Publicum reibt sich in die

Anmerkungen (H)

  1. [WS] Adresse in Wien, letzte Wohnung Beethovens, im Herbst 1825 bezogen. Das Haus wurde 1903 abgerissen.
  2. [WS] 5. Sinfonie c-Moll op. 67 (1804–1808).