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Charakteristik der Tonarten.


Man hat dafür und dagegen gesprochen; das Rechte liegt wie immer mitten innen. Man kann eben so wenig sagen, daß diese oder jene Empfindung, um sie sicher auszudrücken, gerade mit dieser oder jener Tonart in die Musik übersetzt werden müsse (z. B. wenn man theoretisch beföhle, rechter Ingrimm verlange Cis moll und dgl.), als Zelter’n[H 1] beistimmen, wenn er meint, man könne in jeder Tonart jedes ausdrücken. Schon im vorigen Jahrhunderte hat man zu analysiren angefangen; namentlich war es der Dichter C. D. Schubart,[H 2] der in den einzelnen Tonarten einzelne Empfindungs-Charaktere ausgeprägt gefunden haben wollte. So viel Zartes und Poetisches in dieser Charakteristik sich findet, so hat er für’s erste die Hauptmerkmale der Charakterverschiedenheit in der weichen und harten Tonleiter ganz übersehen, sodann stellte er zu viel kleinlich-specialisirende Epitheten[H 3] zusammen, was sehr gut wäre, wenn es damit seine Richtigkeit hätte. So nennt er E moll ein weiß gekleidetes Mädchen mit einer Rosaschleife am Busen;

Anmerkungen (H)

  1. [WS] Carl Friedrich Zelter (1758–1832), deutscher Musikpädagoge, Komponist und Dirigent.
  2. [WS] Christian Friedrich Daniel Schubart (1739–1791), deutscher Dichter, Organist und Komponist. Seine Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst, 1777–87 geschrieben, wurden posthum 1806 von Ludwig Schubart herausgegeben. Das Buch endet mit dem Kapitel Charakteristikstück der Töne (S. 377–382) Google.
  3. [WS] Epitheton (griechisch) „das Hinzugefügte“, „das später Eingeführte“.