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dieser Ansicht Vorwürfe! Allerdings soll ein Kunstwerk nicht ein Alphabet aller ästhetischen Epitheten[H 1] geben; aber die Kritik soll die nothwendigen Forderungen (die vermißten, nicht die fehlenden), denen der Künstler nicht nachgekommen ist, nicht verheimlichen. Ich glaube, der ächte poetische Schwung wäre eine. Im Werke gehen aber die Flügel nur langsam auf und nieder. Deute der Componist diesen Ausspruch nicht falsch! Von welchen Männern[H 2] soll Heil, und Segen in der Kunst zu erwarten sein, als von denen, die außer dem edlern Streben auch die größere Kraft besitzen, beides in Einklang zu bringen? Gerade die Besseren mögen mit ihren unbedeutenderen Sachen zurückbleiben! Es kann mich erboßen, wenn ich so zusammengeschriebene „Souvenirs“[H 3] von einem Meister wie Moscheles in die Hände bekomme mit componirenden Musikstatisten hinterdrein, die rufen: „Der hat’s auch nicht besser gemacht!“ Das vorliegende Duo ist freilich besser als tausend dergleichen, aber der Ansprüche an den Besseren giebt es auch tausend mehr. Gegen Talente soll man nicht höflich sein. Vor Herz oder Czerny[H 4] ziehe ich den Hut – höchstens mit der Bitte, mich nicht ferner zu incommodiren.[H 5]

Dies im Ganzen und für den Componisten, der Vielen durch ein vorzügliches Pianoforteconcert, das er der Welt bald vorlegen wolle, werth geworden ist. Wiegt nun unser Werk bei weitem innerlich wie äußerlich leichter, so ist ihm doch Verbreitung zu wünschen.

Anmerkungen (H)

  1. [WS] Epitheton (gr.), „das Hinzugefügte“, „das später Eingeführte“.
  2. [GJ] „Männern“ ist von GJ eingefügt.
  3. [WS] Ignaz Moscheles (1794-1870), böhmisch-österreichischer Komponist und Pianist, mit Schumann befreundet. „Souvenirs“ (Erinnerungen) gehören der Salonmusik an und greifen oft auf Volkslieder oder Opernmelodien zurück.
  4. [WS] Carl Czerny (1791–1857), österreichischer Pianist, Komponist und Klavierpädagoge; Henri Herz (1803–1888), österreichischer Komponist und Pianist – für Schumann Inbegriff von Virtuosität ohne Gehalt.
  5. [WS] inkommodieren: „verunbequemen“ – belästigen, stören, jemandem Unannehmlichkeiten oder Mühe bereiten.