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irrt sich gewiß, wenn man glaubt, die Componisten legten sich Feder und Papier in der elenden Absicht zurecht, dies oder jenes auszudrücken, zu schildern, zu malen. Doch schlage man zufällige Einflüsse und Eindrücke von Außen nicht zu gering an. Unbewußt neben der musikalischen Phantasie wirkt oft eine Idee fort, neben dem Ohre das Auge und dieses, das immer thätige Organ, hält dann mitten unter den Klängen und Tönen gewisse Umrisse fest, die sich mit der vorrückenden Musik zu deutlichen Gestalten verdichten und ausbilden können. Je mehr nun der Musik verwandte Elemente die mit den Tönen erzeugten Gedanken oder Gebilde in sich tragen, von je poetischerem oder plastischerem Ausdrucke die Composition sein, – und je phantastischer oder schärfer der Musiker überhaupt auffaßt, um so mehr wird sein Werk erheben oder ergreifen. Warum könnte nicht einen Beethoven inmitten seiner Phantasieen der Gedanke an Unsterblichkeit überfallen? Warum nicht das Andenken eines großen gefallenen Helden ihn zu einem Werke begeistern? Warum nicht einen Anderen die Erinnerung an eine selig verlebte Zeit? Oder wollen wir undankbar sein gegen Shakespeare, daß er aus der Brust eines jungen Tondichters ein seiner würdiges Werk hervorrief,[H 1] – undankbar gegen die Natur und läugnen, daß wir von ihrer Schönheit und Erhabenheit zu unseren Werken borgten? Italien, die Alpen, das Bild des Meeres, eine Frühlingsdämmerung, – hätte uns die Musik noch nichts von allem diesem erzählt? Ja selbst

Anmerkungen (H)

  1. [GJ] Mendelssohns Sommernachtstraum. [WS] Felix Mendelssohn-Bartholdy, Ouvertüre Ein Sommernachtstraum op. 21 (1826).