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im Orchestercharakter erfunden und gedacht, jedes Instrument so an Ort und Stelle, ich möchte sagen in seiner Urtonkraft angewandt, daß ein guter Musiker, versteht sich bis auf die neuen Combinationen und Orchestereffecte, in denen Berlioz so schöpferisch sein soll, sich eine leidliche Partitur fertigen könnte.

Ist mir jemals ein Urtheil ungerecht vorgekommen, so ist es das summarische des Herrn Fétis[H 1] in den Worten: je vis, qu’il manquait d’idées melodiques et harmoniques. Möchte er, wie er auch gethan, Berlioz alles absprechen, als da ist: Phantasie, Erfindung, Originalität, – aber Melodieen- und Harmonieen-Reichthum? Es fällt mir gar nicht ein, gegen jene übrigens glänzend und geistreich geschriebene Recension zu polemisiren, da ich in ihr nicht etwa Persönlichkeit oder Ungerechtigkeit, sondern geradezu Blindheit, völligen Mangel eines Organs für diese Art von Musik erblicke. Brauchte mir doch der Leser nichts zu glauben, was er nicht selbst fände! So oft auch einzelne herausgerissene Noten-Beispiele schaden, so will ich doch versuchen, das Einzelne dadurch anschaulicher zu machen.

Was den harmonischen Werth unserer Symphonie betrifft, so merkt man ihr allerdings den achtzehnjährigen,[H 2] unbeholfenen Componisten an, der sich nicht viel schiert um rechts und links, und schnurstracks auf die Hauptsache losläuft. Will Berlioz z. B. von G nach Des, so geht er ohne Complimente hinüber (s. Notenbeispiel I) s. S. 16. Schüttle man mit Recht über

Anmerkungen (H)

  1. [GJ] Schumann druckte Fétis’ in der Revue mus. erschienenen „fulminanten, übrigens kostbar geschriebenen“ Aufsatz über Berlioz’ Compositionen in der Zeitschrift ab (1835, II, 197), nachdem er sich die Symphonie aus Paris verschrieben hatte. Ueber diese sagt er in einer Vorbemerkung: „Mit Entsetzen sahen und spielten wir. Nach und nach stellte sich unser Urtheil fest und dem des Hrn. Fétis im Durchschnitt so hart gegenüber, daß wir, theils um die Aufmerksamkeit der Deutschen doppelt auf diesen geistreichen Republikaner zu ziehen, theils um Manchem Gelegenheit zu eigenem Vergleichen zu verschaffen, die Fétissche Recension kurz und frei übersetzt unsern Lesern vorzulegen beschlossen.“ [WS] Den Wortlaut der Rezension siehe Google.
  2. [GJ] Berlioz war bereits 26 Jahre alt, als er die Symphonie schrieb.