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daß allenthalben keine Vermahnung und Warnung zur Besserung helfen will; dagegen Gotteslästerung, Ehebruch, Hurerei, Geiz, Wucher und andere sträfliche Laster und aller Muthwillen und Leichtfertigkeit in allem Schwange gehen und ungescheut getrieben werden, welches wir nicht sonder Befremdung und Bekümmerniß vernommen haben.“ Die schmerzliche Gewißheit lag vor Augen, daß durch alle in Folge der Reformation zur Anwendung gekommenen wohlgemeinten Heilmittel das religiös-sittliche Volksleben zur Zeit der Klosterauflösung und am Ende des Reformationsjahrhunderts nicht besser geworden war. Rathlos trat man in das folgende 17. Jahrhundert, in welchem durch den dreißigjährigen Krieg die Verwilderung sowohl in der Fürstenschule, als auch auf dem ganzen ehemaligen Klostergebiete noch größer wurde, wie wir in den Abschn. X u. XI gesehen haben. Wie vor dem Kriege, so hielt man auch nach demselben strengkonfessionelle Rechtgläubigkeit für das wirksamste Heilmittel, ob es gleich seit der Reformation augenfällig erfolglos angewendet worden war. Diese augenfällige Erfolglosigkeit führte zu einer gegentheiligen Anschauung, zu dem Glauben: dieser konfessionelle Dogmatismus sei Schuld daran, daß es im religiös-sittlichen Volksleben so schlimm stehe. Der Orthodoxie stellte sich daher in einem kleineren Kreise der Pietismus, in einem größeren der Rationalismus gegenüber. Allein trotz Pietismus und Rationalismus blieb das Volksleben im Großen und Ganzen auf seiner tiefen Stufe. Im 19. Jahrhundert versuchte man es wieder, wie vormals, erst vorübergehend mit dem Pietismus, dann dauernd mit dem Dogmatismus. An die Stelle der rationalistischen trat eine vorwiegend dogmatische Predigtweise. Gesangbücher, Melodien, Katechismen, Liturgie und liturgische Schriften erhielten wieder das alte ursprüngliche Gepräge. Dazu kamen noch folgende Besserungsmittel in Anwendung: Bibelverbreitung, belehrende und erbauende Volksschriften, Konventikel, fromme Vereine, Missionspredigten, Förderung der äußeren und inneren Mission, Einführung von Kirchenvorständen, gezwungener Schul- und Christenlehrbesuch, Wegweisung der Schuljugend von Tanzböden, Sonntagsschulen, Kleinkinderschulen,

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Georg Muck: Geschichte von Kloster Heilsbronn (Band 3). C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1880, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georg_Muck_-_Geschichte_von_Kloster_Heilsbronn_(Band_3).pdf/161&oldid=- (Version vom 1.8.2018)