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ließen sie das Kloster fortbestehen, im Voraus gewiß, daß ihnen dereinst die Beute von selbst zufallen werde. Sie sekularisirten daher nicht, wie anderwärts geschah, durch Gewaltthat; sie warteten die Zeit der Selbstauflösung ab. Dieser Zeitpunkt war nun beim Tode unseres Abts, des letzten Konventualen, gekommen.

In Einem sahen wir oben die Äbte nicht in Opposition gegen die Markgrafen, nämlich in dem Bestreben, durch Einführung der Reformation das religiös-sittliche Volksleben zu reformiren. Allein ihre wohlgemeinten Bestrebungen hatten nicht den gewünschten Erfolg. In all ihren vorhin mitgetheilten Erlassen dieses Betreffs versichern sie mit innigem Bedauern, daß im Reformationszeitalter das Volksleben, wider Erwarten, nicht besser, sondern im Gegentheil vielfach schlimmer wurde. Dieselbe Erfahrung machte Luther. Nachdem er die Lehre gereinigt, dem Volk die Bibel, der Jugend den Katechismus in die Hand gegeben und durch Wort und Schrift mächtig gewirkt hatte, erwartete er ein besseres Volksleben, zumal in seiner nächsten Umgebung. Allein er sah sich in dieser Erwartung schmerzlich getäuscht und sprach es im J. 1528 aus in folgenden Worten: „Die jetzigen evangelischen Buben (Studenten in Wittenberg) sind bösere Buben, als die früheren. Jene waren Heuchler; diese aber wollen ein schlimmeres Leben führen denn zuvor.“ Die Zügellosigkeit war bei den Studenten in Wittenberg und bei den dortigen Frauen und Jungfrauen so groß, daß Luther im J. 1530 erklärte, dort nicht mehr predigen zu wollen. Genußsucht, Luxus und wüstes Treiben steigerten sich so, daß Luther im Jahr vor seinem Tode tief gebeugt die Stadt verließ und nicht mehr zurückkehren wollte. Es bedurfte einer besondern Deputation von Seite der Universität und eines kurfürstlichen Briefes, um ihn zur Rückkehr nach Wittenberg zu bewegen. Liest man oben die Klagen der Äbte, Markgrafen und Räthe über Zunahme der Irreligiosität und Unsittlichkeit im Reformationsjahrhundert, so drängt sich einem die Frage auf: ob nicht die Klagenden zu schwarz gesehen und allzurigoristisch geurtheilt haben? Um diese Frage gründlich

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Georg Muck: Geschichte von Kloster Heilsbronn (Band 1). C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1879, Seite 549. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georg_Muck_-_Geschichte_von_Kloster_Heilsbronn_(Band_1).pdf/565&oldid=- (Version vom 31.7.2018)