Seite:Gellert Schriften 1 A 045.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Christian Fürchtegott Gellert: Fabeln und Erzählungen.

Lesen glücklich aufhält, für ein Lobspruch und für ein vollständiger Beweis ist, daß er die Natur nicht verfehlet, und bey seiner Munterkeit die Ruhe des Wohlstands und der Ehrbarkeit nicht gestöret hat. Ich fühle es indem ich dieses schreibe, daß ich mich selber lobe, und ich habe kaum Gewalt genug über mich, meine Eitelkeit zu bereuen.

So schmeichelhaft indessen dieses Glück ist: so ist es doch um desto gefährlicher, ie leichter man sich seiner unwerth machen kann, wenn man es gar zu eifrig sucht. Werde ich das, was ich durch den ersten Theil der Fabeln und Erzählungen gewonnen habe, auch durch den zweyten behaupten können? Wird die Welt eben so von diesem neuen Versuche urtheilen, als von dem ersten? oder würde es vortheilhafter für mich seyn, wenn er gar nicht zum Vorscheine gekommen wäre? Man halte dieses nicht für eine stolze Demuth; allein man schließe auch aus meiner Furchtsamkeit nicht auf ein böses Gewissen. Ich habe eben den Fleiß auf meine neuen Fabeln gewandt, den mich die ersten gekostet haben; und man wird selten nachlässig arbeiten, wenn man genug Ehrerbietung für die Welt hat. Allein der Fleiß und die Behutsamkeit thun bey den Schriften des Witzes nicht alles. Es gehört, wenn man in der Sphäre dichtet, in die ich mich gewagt habe, vor allem andern ein gewisses

Empfohlene Zitierweise:
Christian Fürchtegott Gellert: Fabeln und Erzählungen.. M. G. Weidmanns Erben und Reich und Caspar Fritsch, Leipzig 1769, Seite XLIV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gellert_Schriften_1_A_045.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2023)