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gutes Herz, aber wenig Witz, und in der ganzen Anlage wenig Ueberlegung. Wenn dem Vorredner zu der Dresdner Ausgabe von 1585 zu trauen ist: so wäre es schon im Jahre 1495 in brabandischer Sprache im Drucke erschienen, und also älter, als der Reinecke Fuchs, weil wir von diesem keine ältere Ausgabe haben, als die Lübeckische von 1498 in Octav. Wenn diese Nachricht ihre Richtigkeit hätte: so könnte Doctor Luther, wie einige geglaubet, das Buch nicht verfertiget haben. Daß aber Doctor Luther ein großer Freund von Fabeln gewesen, sieht man daraus, weil er die äsopischen hat reinigen und übersetzen wollen, auch wirklich sechzehn Stücke übersetzet, und eine sehr schöne Vorrede von dem Nutzen der äsopischen Fabeln dazu verfertiget hat. Seine kurzen und körnichten Uebersetzungen lesen sich mit Lust. Man findet sie in dem neunten Theile seiner deutschen Werke, und auch in denen hundert Fabeln Aesopi, welche Nathan Chyträus, ein Professor zu Rostock, 1571 in Octav herausgegeben hat. In eben dieser Ausgabe finden sich vier Fabeln, welche Doctor Mathesius, Luthers guter Freund, gemacht haben soll. Ich will eine davon hier einrücken.

„Ein alter Hirtenhund, der seines Herrn viehe trewlich bewachte, gehet zu Abend ein. Den pelfern die Polsterhündlein auf der gassen ahn. Er trabt für sich, und sicht sich nicht umb. Wie er fürn Kuttelhof kompt, fragt ihn ein fleischershund, wie er dis gepelffer leiden könne, und warum er nicht einen beim kamm neme. Nein, saget der Hirtenhund, es zwacket und beisset mich keiner, ich muß meine Zeen zun Wölfen haben.
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Christian Fürchtegott Gellert: Fabeln und Erzählungen. M. G. Weidmanns Erben und Reich und Caspar Fritsch, Leipzig 1769, Seite XXXIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gellert_Schriften_1_A_034.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2023)