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menhalten ihre Güter, Schätze aufhäufen, immer den Besitz vergrößern. Rastlos mit dem Sammeln beschäftigt hat sie größtentheils nicht Ruhe zu genießen, und wenn sie Ruhe dazu bekommen soll, so muß sie gewiß sein, richtig berechnet haben, daß der Genuß ihr keine Aufopferungen kostet, sondern daß höchstens andere deshalb entbehren müssen. Geiz ist die Wurzel alles Uebels, heißt es in der heiligen Schrift. Kalt und hart, wie sein Metall, wird endlich des Geizigen Herz, unempfindlich gegen fremde Noth, mag sie herkommen, woher sie will, ja mag er selbst derselben Urheber sein. Der Geist, immer nur gerichtet auf das Irdische, wird ein Fremdling in seiner wahren Heimath, verliert seinen freien und weiten Blick, seine Beweglichkeit und erstarrt in dem engen Kreise des äußern Lebens, in welchem er nur mechanisch hin- und herbewegt wird; jeder Maasstab für das Wahre, Edle, Schöne, Große wird ihm entzogen, und er kennt nichts mehr, was an und für sich Werth hätte. Schätzen kann er nur Besitz, Gewinn und Vortheil, und freuen sich nur dessen, was ihm ein Mittel wird zu diesen ihm allein schätz-

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Johannes Geibel: Ermunterung zur Verläugnung des ungöttlichen Wesens. Lübeck 1807, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geibel_Ermunterung19.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)