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hoch dich stellte, zu solcher Seligkeit dich berief! – Aber bist du noch in diesem ursprünglichen, wahrhaften Zustande deiner Natur? Ist das Leben aus und in Gott noch dein Leben?

     Nein, Christen. Abgewichen von Gott ist der Mensch, entfernt hat er sich von dem Wesen der Wesen, sich hinwendend zum Nichtigen und Vergänglichen und sich festhaltend an demselben, als ob es das Wesen wäre und die Wahrheit; matt glimmt nur noch, beinahe ist erstorben des innern Lebens Glut, die heilige, göttliche Liebe; ihre eigenthümliche Richtung hat verloren seine Kraft, und Kraft ohne eigenthümliche Richtung ist das noch seine Kraft? ists überhaupt noch Kraft? – Nicht doch! fast zu einer bloßen Masse ist herabgesunken sein Leben, bald träge die Erde drückend – ein erbärmlicher Anblick! – bald von fremden Gewalten geworfen zerschmetternd alles, was in den Weg ihm kommt. Und ohne Kraft, was ist des Menschen Freude? – Der Wiederschein eines glänzenden Gegenstandes auf einer Wasserblase. Nicht aus dem Innern geht hervor ihr Glanz, denn hohl ists im Innern, und zerstört wird sie

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Johannes Geibel: Ermunterung zur Verläugnung des ungöttlichen Wesens. Lübeck 1807, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geibel_Ermunterung09.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)