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Albrecht von Haller: Gedanken vom Saufen, und dessen Schädlichkeit aus: Der physikalische und oekonomische Patriot Oder Bemerkungen und Nachrichten aus der Naturhistorie, der allgemeinen Haushaltungskunst und der Handlungswissenschaft, 3 Teil, 3 Quartal, S. 296–309


Beschluß der Gedancken vom Saufen, und dessen Schädlichkeit.
(S. das vorhergehende 38ste Stück.)


     Gleim.
Erstaunt, entzückt, uns selber unbewußt,
Bemächtiget sich die Gewalt der Sinnen
Ach! allzu bald der Tugend unsrer Brust.
Du, der du sagst: Ich will den Sieg gewinnen!
O! laß doch nie das süße Gift der Lust,
Laß es doch nie nach deinem Herzen rinnen![1]

Vaßmann[2], der das Reich der Todten aufgeboten, erlebte den Verdruß, daß ihn die Zeitungsschreiber beschuldigten, er übernähme sich öfters im Weine. Er vertheidigte sich, wie billig, und nennte diese Beschuldigung eine gottlose Verläumdung, weil er nie vom Weine, sondern bloß vom Branntweine ein Liebhaber gewesen wäre. Ich finde nichts an dieser Vertheidigung auszusetzen, und wollte wol selbst Bürge dafür seyn, daß sich die Zeitungsschreiber geirret hätten. Indessen ist es mir unangenehm, wenn ich die Säufer auf ihren Krankenbetten mit der Vorsicht murren, und eben solche Entschuldigungen zu ihrer Rechtfertigung vorbringen höre. Ein ehrbarer Mann, der das Branntweintrinken für pöbelhaft hält, kann sich nicht genug wundern, wie er von dem guten Weine, den er zu trinken gewohnt gewesen, die Wassersucht bekommen sollte. Ein Weingelehrter pocht mit seinem Arzte, und beweiset, daß er vom Trunke die Wassersucht nicht habe bekommen können, weil er jederzeit die besten Sorten getrunken, und das schlechte Zeug auf die Erde gegossen habe. Ein Krambambulist kann nicht begreifen, wie gute Liqueurs einen Körper verderben könnten; und ein Schuster sagt: Sollte mir das Bisgen franscher Branntwein so viel Unglück haben verursachen können, da ich doch nie starke Liqueures getrunken habe? Alles dieses sind vaßmannische Ausflüchte. Aus der Entstehungsart der Wassersucht vom Saufen, die ich neulich beschrieben habe, erhellet, daß sie ohne Unterschied von allen berauschenden Getränken hervorgebracht werden könne, weil sie die Säfte in eine heftige Gährung, Wallung und innerliche Bewegung setzen, wodurch sie vermögend gemacht werden, in die Wände der Gefäße zu wirken, und sie über ihre Macht auszudehnen. Ich kann also keinem Säufer Pardon geben, und wenn er sich auch gleich, wie der Handwerksbursch, nur im Biere zu betrinken pflegt. Es kommt hierbey weder auf die Güte, noch auf die schlechte Art der Getränke, an; es ist genug, wenn sie den Säften einen übermäßigen Trieb geben, und es ist einerley, ob sie dieses, wie die Liqueurs, in kleiner, oder, wie das Bier, in sehr großer Dosi thun. Indessen lehrt die gesunde Vernunft, daß die Gesundheit desto mehr und geschwinder leide, wenn man Getränke, die in kleiner Dosi schon berauschen,

  1. Belinde. Ein Sonnet, in: Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Sämmtliche Werke 1. Band, S. 69 Google
  2. David Faßmann. Herausgeber der moralischen Wochenschrift Gespräche in dem Reiche derer Todten.
Empfohlene Zitierweise:
Albrecht von Haller: Gedanken vom Saufen, und dessen Schädlichkeit aus: Der physikalische und oekonomische Patriot Oder Bemerkungen und Nachrichten aus der Naturhistorie, der allgemeinen Haushaltungskunst und der Handlungswissenschaft, 3 Teil, 3 Quartal, S. 296–309. Grund, Hamburg 1758, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gedanken_vom_Saufen,_und_dessen_Sch%C3%A4dlichkeit.pdf/8&oldid=- (Version vom 1.8.2018)