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Albrecht von Haller: Gedanken vom Saufen, und dessen Schädlichkeit aus: Der physikalische und oekonomische Patriot Oder Bemerkungen und Nachrichten aus der Naturhistorie, der allgemeinen Haushaltungskunst und der Handlungswissenschaft, 3 Teil, 3 Quartal, S. 296–309

gewissen Art der Wollust zu tadeln, die unter ihnen nur allzu gemein ist; so muß mein Tadel dadurch desto mehr Kraft und Nachdruck erhalten, wenn man sieht, daß ich kein trauriger Heuchler, kein Feind der Lust, kein Verfolger derer bin, die es für ihre Pflicht halten, sich in der Welt zu vergnügen. Man zeige mir eine Art der Lust, sie mag einen Namen führen, welchen sie will; man überführe mich, daß sie kein bloßer Schatten eines Vergnügens sey, wodurch wir uns eine Menge von Elend und Unglück zuziehen, daß sie der Menschlichkeit nicht zur Schande gereiche, und daß sie nicht von den Gesetzen der Natur abweiche: so will ich der erste seyn, der sie anpreiset; so will ich der erste seyn, der sie zur Vermehrung seiner eigenen Glückseligkeit wählet; so will ich den schwermüthigen Tadlern Trotz bieten, die mich zur Maschine machen wollen, damit ich mein Leben verliehre, um in ihren Augen tugendhaft zu scheinen. Nein! ich bin nicht so leichtgläubig, einen Heuchler oder einen wahnwitzigen Grillenfänger in den Krieg wider die Natur zu begleiten. Ein jeder Freund edler Lüste sey mein Bruder! Ich mag ohne Vergnügungen nicht leben; ich mag nicht sterben, ohne gelebt zu haben; und ich würde nicht gelebt haben, wenn ich nicht vergnügt gewesen wäre.

Nach dieser Erklärung wird man mir aber einmal erlauben, daß ich eine Art der Wollust tadle, die das Verderben meines Geschlechts mit sich führet; daß ich mein Geschlecht vor einem süßen Gifte warne, das sie mit großen Zügen in sich hinein schlingen; und daß ich die Gefahr beweise, die man so gern widerlegt sähe. Ich habe diesem Laster in der Ueberschrift meines Blattes den häßlichsten Namen gegeben, der ihm gebühret. Es ist das Saufen, was ich tadeln will; und ich bilde mir ein, es auf eine solche Weise zu tadeln, daß viele Liebhaber dieser Ausschweifung dadurch davon abgeschreckt werden können. Damit ich aber meine Leute nicht verfehle, so muß ich zuerst erklären, wen ich eigentlich mit dem Namen der Säufer meyne.

Es muß ein sehr niederträchtiger gemeiner Mensch seyn, der von sich selbst sagen soll, daß er saufe. Da es nun diese Art von Leuten eben nicht ist, gegen die ich mich gern auflehne; so muß ich sagen, daß ich auch andern gar angesehenen und ehrbaren Leuten den Krieg ankündige, die wegen ihres Standes, Amtes und Ansehens genöthiget sind, ihre Laster mit gelindern Namen zu belegen; von denen ich mich aber nicht irre machen lasse. Ich kenne einen ansehnlichen Gelehrten, der ein starker Säufer ist; aber der seinen Freunden nichts mehr bekennet, als daß er wol ein Glas Wein möge. Ich kenne einen Prälaten, der mir gesagt hat, er pflege sich zuweilen eines guten Liqueurs zu bedienen. Ich kenne eine Dame, die zu sagen pflegt, sie nehme oft etwas für die Uebligkeit. Ein gewisser vornehmer Kaufmann sagte mir einstmals, er wäre ein Liebhaber von einem Schlückgen; ein General, er trinke wol zuweilen ein wenig über den Durst. Ein einziger Schneider hat mir einst gestanden, er versündige sich zuweilen durch den Trunk; und ein Karrenschieber, er sey dem Soffe ergeben. Alle diese Herren und Meister setze ich hiermit in eine einzige Classe; und sie sind, einer wie der andre, itzt meine Gegner. Alle die Leute, die wol ein Glas Wein mögen; alle, die sich zuweilen eines guten Liqueurs bedienen; alle, die oft etwas für die Uebligkeit nehmen; alle, die zuweilen ein wenig über den Durst trinken; alle, die sich zuweilen durch den Trunk versündigen; und alle, die dem Soffe ergeben sind: sie sind allzumal Sünder; ich nenne sie alle, mit ihrer Erlaubniß, Säufer: und mit dieser trefflichen Gesellschaft will ich itzt ein Wort reden.

Wenn man die Wirkungen aller berauschenden Getränke gegen einander hält und vergleichet, so

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Albrecht von Haller: Gedanken vom Saufen, und dessen Schädlichkeit aus: Der physikalische und oekonomische Patriot Oder Bemerkungen und Nachrichten aus der Naturhistorie, der allgemeinen Haushaltungskunst und der Handlungswissenschaft, 3 Teil, 3 Quartal, S. 296–309. Grund, Hamburg 1758, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gedanken_vom_Saufen,_und_dessen_Sch%C3%A4dlichkeit.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)